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Digital-Signal-Systeme gehören zu den heiss diskutierten Themen im Retailmarketing. Sie bieten neue Möglichkeiten der Interaktion mit dem Kunden, setzen aber ein ganzheitliches Marketingkonzept ebenso voraus wie die Verzahnung der Vertriebskanäle.

Gastbeitrag von Philipp Kratochvil, Business Unit Manager Digital Media Solutions, Cancom GmbH

Auf Bahnhöfen, Einkaufsstrassen und Flughäfen nehmen sie mehr und mehr den Platz der gewohnten Plakate ein: Digitale Displays. Und sie finden auch zunehmend Beachtung. So bestätigte die "Trendanalyse Out-of-home (OOH) to Mobile 2016" (1) eine Wahrnehmung von 86 Prozent. Mehr noch: Über die Hälfte (51 Prozent) der Befragten waren mit ihrem Handy oder Tablet schon einmal einem Link auf dem interaktiven Display zu einer Internetseite gefolgt. (2) Daher überrascht es nicht, dass sich immer mehr stationäre Händler für den Einsatz digitaler Displays, Walls und Tablets in ihren Läden interessieren. Digital Signage, der Einsatz von digitalen Anzeigesystemen zur Kommunikation mit Menschen im öffentlichen Raum (3) gehört zu den Trend-Themen im Retailmarketing. Welche Möglichkeiten bieten die neuen interaktiven Displays und worauf kommt es bei ihrem Einsatz an?

Zu Beginn versprach Digital Signage vor allem Zeit- und Kostenvorteile gegenüber herkömmlicher Printwerbung, da der Aufwand für Druck, Verteilung und Anbringung der Poster entfällt. Mit modernen Displays ausgestattet, wirkt das Ladengeschäft zudem attraktiver auf Kunden. Doch inzwischen gehen die möglichen Anwendungen weit darüber hinaus, denn das Potenzial von Digital-Signage-Systemen ist mit dem blossen Anbringen von Monitoren keineswegs ausgeschöpft. Nachhaltige Erfolge in Umsatz und Kundenbindung lassen sich nur erzielen, wenn man die Kommunikation über Displays als Bestandteil eines ganzheitlichen Marketingkonzeptes für den Dialog mit dem Kunden am POS begreift. Als interaktive, individuell anpassbare Medien sollten sie dem Kunden einen klaren Mehrwert bieten und den Einkauf zu einem Erlebnis werden lassen.

Virtuelle Sortimentserweiterung und digitale Shopping Walls

Touchscreen-Bildschirme ermöglichen in kleineren Shop-in-Shop-Flächen eine virtuelle Sortimentserweiterung: Mit dem sogenannten Virtual Shelf können Händler auch auf kleiner Fläche ihr gesamtes Angebot präsentieren und auf dem Bildschirm alle verfügbaren Produkte darstellen.

Aber nicht nur räumliche Einschränkungen lassen sich überwinden, sondern auch zeitliche: Über digitale Shopping Walls in den Schaufenstern können Kunden auch ausserhalb der Ladenöffnungszeiten wie in einem virtuellen Shop einkaufen. Sie können mit ihren Smartphones oder durch Bewegungen interagieren und sich informieren. Die Einbindung von QR-Codes oder digitalen Preisschildern ermöglicht die Bestellung im Online-Shop des Händlers.

Tablets als Datenbasis im Beratungsgespräch

Mit einem neuen, kundenzentrierten Flagship-Store-Konzept konnte ein grosser Telekommunikationsanbieter den Umsatz in seinen Geschäften teilweise verdreifachen. Zusätzlich zu Video Walls kamen hier auch Tablets für die Berater zum Einsatz – ein weiterer wesentlicher Aspekt der Digital-Signage-Anwendungen. Gerade im Technikbereich trifft der Berater in der Regel Kunden, die sich im Vorfeld schon über Preise, Leistungen sowie Vor- und Nachteile verschiedener Modelle informiert haben. Per Tablet kann der Verkaufsmitarbeiter während des Beratungsgesprächs seinerseits auf Produktvergleichsdaten oder Informationen zu Produkt und Lieferbarkeit zugreifen. Der Einblick in die Kundendaten erlaubt ihm zudem, den Kunden ganz individuell zu beraten.

Kontextbezogener Content

Zu den faszinierenden Eigenschaften digitaler Displays gehört der innerhalb von Sekunden mögliche Wechsel zwischen einer Vielzahl von Inhalten. Der ausgespielte Content kann zum Beispiel an Tageszeiten, Orte, Wetterverhältnisse oder regionale Veranstaltungen angepasst werden. Die Herausforderung besteht also darin, zur richtigen Zeit für die jeweilige Zielgruppe exakt passende Inhalte bereitzustellen und dem Betrachter so einen Mehrwert zu bieten. Gelingt das, lassen sich die Kunden auch zum Kaufen inspirieren, denn 70 Prozent der Kaufentscheidungen werden erst am PoS getroffen (4). Eine Möglichkeit ist die Bewerbung von Komplementär-Produkten, wie z.B. Bier an der Grillfleischtheke. In Kombination mit weiteren Komponenten wie Beacons oder Kundenkarten ermöglichen Digital-Signage-Systeme sogar eine individualisierte Kundenansprache.

Der Einsatz von Digital Signage

All diese Massnahmen, die das Potenzial von Digital-Signage-Systemen ausschöpfen, setzen ein ganzheitliches Omnichannel-Marketingkonzept ebenso voraus wie die Digitalisierung und Verzahnung aller Kanäle des jeweiligen Händlers. Schnelle und sichere Anbindungen an Kassensysteme und Lagerbestandsdaten sowie die Einbindung der Kundendaten müssen gegeben sein. Eine funktionierende WLAN-Verbindung ist Bedingung für die meisten Anwendungen und bietet dem Kunden gleichzeitig einen Mehrwert. Um Informationen kontext- und situationsbezogen ausspielen zu können, müssen die entsprechenden Inhalte zunächst konzipiert und erstellt werden. Die dafür nötigen personellen Ressourcen sollten von Anfang an eingeplant werden.

Auch auf die passende Hard- und Software kommt es an: Für eine lesbare und störungsfreie Darstellung im 24-Stunden-Dauerbetrieb kommen nur professionelle Geräte in Betracht. So gibt es z.B. für den Einsatz im Schaufenster spezielle Displays, die auch bei direkter Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen ein klares, kontrastreiches Bild liefern. Die Systeme müssen zudem mit weiteren, im Ladengeschäft verwendeten Technologien, wie etwa Beacons, kompatibel sein. Um das Digital-Signage-System nachhaltig nutzen und an künftige Bedarfe anpassen zu können, sollten Support und Aktualisierungen durch den Anbieter gewährleistet sein. Nicht zu vergessen – ein Sicherheitskonzept, das Massnahmen gegen Datenmanipulation beinhalten sollte sowie Diebstahlschutz für Tablets oder die Speicherung kritischer Daten auf einem geschützten Server statt auf den Tablets.

Die Einführung eines Digital-Signage-Systems ist weniger als einmalige Aktion, sondern vielmehr als ein iterativer, agiler Prozess zu verstehen. Dabei wird zunächst ein Proof-of-Concept erstellt, dann folgen Pilotanwendung und weitere Tests und Optimierungen, bevor das System filialübergreifend eingesetzt wird.

Fazit: Digital Signage ist kein Selbstläufer, doch als integrierter Bestandteil eines ganzheitlichen Marketingkonzeptes ermöglicht es ein völlig neues Shoppingerlebnis, Interaktion, kundenbezogene Ansprache und Dialog am PoS. Auch nach der Einführung können durch gezieltes Innovationsmanagement, Evaluierung und proaktive Beratung Kosteneinsparungen von über 30 Prozent in den ersten drei Jahren erreicht werden.

Quellen:
(1) http://www.faw-ev.de/wp-content/uploads/2016/05/Trendanalyse_OOH_Mobile_...
(2) http://invidis.de/2015/03/studie-mall-video-als-umsatz-booster-fuer-lemo...
(3) White Paper Digital Signage. Zeichen der Zeit- Digital Signage als Werbe- und Informationsmedium der Zukunft. Samsung, Nov. 2013
(5) GfK Marktforschung, Pressemitteilung: Viele Käufer entscheiden sich am Supermarktregal

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Digital Signage - an Beacons gekoppelt (Bild: Cancom)