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Eine enge Kooperation und weitgehende Integration von Ausrüstern, Dienstleistern und Zulieferern gehört heute in vielen Branchen zum Alltag. Die Prozesskette aus Planung, Beschaffung, Herstellung und Auslieferung gestaltet sich immer komplexer. Mit Business Intelligence lässt sich die Supply Chain Performance besser steuern und optimieren.

Gastbeitrag von Giuseppe Scattarreggia, Technical Manager Switzerland bei Information Builders, http://www.informationbuilders.ch

Auslagerung an Lieferanten, vernetzte Fertigung und virtuelle Fabriken gelten als Königsweg für eine schlanke Produktion. In der Theorie produziert ein Unternehmen nichts mehr selbst. Fokussiert auf die Kundenorientierung oder einen vermuteten Bedarf werden Produkte entwickelt und man lässt sie extern fertigen. Das Ergebnis ist ein Unternehmen mit geringer Kapitalbindung und hoher Profitabilität – zumindest in den Simulationsmodellen der Wirtschaftstheoretiker. Sie entwickeln ausgeklügelte Netzwerkkonzepte und Betreibermodelle bis zur virtuellen Fabrik. Keinerlei Eigenfertigung ist das eine Extrem, das andere ist 100 Prozent Eigenfertigung. Während Unternehmen ohne eigene Produktion durchaus anzutreffen sind, gibt es solche, die alles selbst fertigen nur in der Theorie. In der Realität schwankt der Anteil der Eigenfertigung von Branche zu Branche und in einzelnen Produktbereichen. Der Anteil der Eigenfertigung bei der Erstellung von Gütern und Dienstleistungen liegt oft weit unter 50 Prozent, bei einzelnen Produkten gar nur bei zehn Prozent.

Geringe Fertigungstiefe, weniger Abstimmungsprozesse

Unternehmen aus dem Anlagen-, Automobil- oder Maschinenbau und einer Reihe weiterer Branchen stehen vor der Anforderung, detailliert den gesamten Prozess der Wertschöpfungskette zu steuern und zu koordinieren. Sie müssen in einem ersten Schritt alle involvierten internen und in einem zweiten Schritt die externen Datenquellen bei Geschäftspartnern und Lieferanten anzapfen, um eine vollständige 360-Grad-Sicht der Aktivitäten in ihrer Wertschöpfungskette zu erhalten. Mit diesen Informationen ausgerüstet, können sie nahezu in Echtzeit Ineffizienzen aufdecken und kontinuierliche Verbesserungen an wichtigen Prozessen vornehmen, zum Beispiel bei dem Entwurf und der Konstruktion, den Materialien und der Bestandsverwaltung, der Produktion, der Qualitätskontrolle, der Lieferkettenausführung, der Nachfrageprognostizierung und der Planung sowie der Lieferantensuche und -verfolgung. Eines der mittelfristigen Ziele: die lückenlose Optimierung der gesamten Supply Chain vom Rohstoff über die Logistik bis zum Endkunden.
Supply Chain Management betrachtet dabei den gesamten Prozess, von Anfang bis zum Ende: Planung (Plan), Beschaffung (Source), Herstellung (Make), Lieferung (Deliver) und Rückgabe (Return). Genau dies sind auch die fünf Supply-Chain-Management-Prozesse wie sie die beiden US-Unternehmensberatungen PRTM (Pittiglio Rabin Todd & Mc-Grath) und AMR in ihrem Mitte der 90er-Jahre entstandenen Supply-Chain-Operations-Reference-Model (SCOR) definiert haben. Die SCOR-Kennziffer „Perfect Order Fullfillment“ etwa beantwortet Fragen wie: Wurde zum vereinbarten Termin geliefert? War die Fracht vollständig? Ist die Qualität fehlerfrei? Ist das Produkt richtig konfiguriert? Ist die Dokumentation vollständig?

Business Intelligence als Steuerzentrale für SCM

Die zentralen betriebswirtschaftlichen Kennziffern gelten übrigens für alle Fertigungskonzepte, sei es bei der Lager-, Auftrags-, Projekt- oder Programmfertigung. Kennzeichnend für die Lagerfertigung: Kundenaufträge werden möglichst aus dem Lager bedient. Das gilt beispielsweise in weiten Teilen der Konsumgüterindustrie. Typisch für den Anlagen- und Maschinenbau ist die Produktion nach Kundenauftrag. Die Programmfertigung schliesslich ist eine Mischform aus Lager- und Auftragsfertigung wie sie etwa der Automobilbau praktiziert. Eine auftragsneutrale Vorfertigung wird um eine kundenspezifische Endmontage (Ausstattung, Farbe, Zubehör etc.) ergänzt.
Der Indikator „Perfect Order Fulfillment“ hilft Unternehmen, die internen und unternehmensübergreifenden Planungsschritte zu definieren. Daraus abgeleitete Indices beschreiben die erforderliche Konfiguration für die Analyse und Evaluation von Kennzahlen wie Durchlaufzeiten der Auftragsausführung, Kapazitätsauslastung, Prognosegenauigkeit sowie Ressourcen- und Vorgangsdatenanalyse. All die dazu notwendigen Basisdaten werden am Entstehungsort mit einer Vielzahl betriebswirtschaftlicher Programme erfasst. Aber erst Business-Intelligence-Anwendungen machen die Daten in Form von KPIs (Key Performance Indicators) für das operative und strategische Management – und damit unternehmensweit für alle an den zentralen Prozessschritten Beteiligte – zugänglich.

Data Governance und Stammdatenmanagement

Wichtige Ansätze dafür liefert Data Governance, ein Oberbegriff für Datenqualität, Data Compliance und Stammdatenmanagement. Data Governance umfasst alle Prozesse und Verfahren, um auf aktuelle, akkurate und konsistente Daten zugreifen zu können. Bei Data Governance geht es unter anderem um die Aspekte:
• Wer ist für die Daten verantwortlich: die IT-Abteilung, die Fachabteilung, der Data Steward einer Fachabteilung oder ein abteilungsüber-greifendes Data-Governance-Komitee?
• Welche Compliance-Anforderungen sind zu berücksichtigen? So müssen etwa die Materialdaten im Automobilbau für diverse gesetz-liche Anforderungen unterschiedlich aufbereitet werden.
• Wer darf als Inhaber welcher Rollen in einem Unternehmen lesend auf welche Daten zugreifen? Wer darf Daten ändern?

Data-Governance-Funktionen verhindern, dass überhaupt fehlerhafte Daten in Datenbanksysteme, und letztlich in Reports oder Auswertungen, einfliessen können. Die Datenqualität ist der eine Punkt. Ergänzend dazu sorgt das Stammdatenmanagement anhand zuvor definierter Regeln für eine Konsolidierung umfangreicher Datenbestände. Zu klären ist hier etwa, wo Stammdaten abgelegt und verwaltet werden und wie ein konsistenter Zustand sichergestellt wird.
Dabei geht es nicht nur um einen Abgleich der Stammdaten, sondern auch um betriebswirtschaftliche Definitionen, die in unterschiedlichen Fachbereichen manchmal verschieden gehandhabt werden. Wenn es keine einheitliche „Sprachregelung“ gibt, wird man auf keine vergleichbaren Kennzahlen kommen, die vom Vorstand, den Mitarbeitern in den Fachabteilungen, den IT-Fachkräften und immer häufiger auch von Geschäftspartnern und Lieferanten akzeptiert werden. Das Ziel: Unternehmenskritische Applikationen können einheitliche und konsistente Daten nutzen, die Eingang in die KPIs finden.

Die internen KPIs sind der Anfang, denen die unternehmensübergreifende Betrachtung als zweiter Schritt folgen muss. Abgeleitet werden die KPIs aus der mittelfristigen Unternehmensplanung. Nur so ist eine wirksame wertbasierte Unternehmenssteuerung (Value Based Management) möglich, die sowohl die internen als auch die externen Performanceparameter umfasst. Das entscheidende daran: Es muss einen geschlossenen Kreislauf zwischen strategischer Planung und operativer Umsetzung geben, kontrolliert in Form eines Soll-Ist-Vergleichs der in einer unternehmensübergreifenden Scorecard festgelegten KPIs. Unternehmensübergreifend deshalb, weil wesentliche Teile der Wertschöpfung von Lieferanten erbracht werden. Für einen reibungslosen Ablauf der Produktion ist es notwendig, dass die richtigen Materialien/Vorprodukte, in der richtigen Menge, von der richtigen Qualität, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort vorhanden sind. Das gilt für Einzelteile, aber mehr noch für komplette Module und komplexe Systeme wie Fahrwerkskomponenten.

Eine wichtige Anforderung an eine Lösung zur wertorientierten Unternehmensführung: Sie muss einfach zu bedienen und individuell anpassbar sein, und zwar so, dass Modifikationen auch von Fachanwendern ohne Hilfe der IT-Abteilung vorgenommen werden können. Eine leicht verständliche Datenvisualisierung, beispielsweise in Form eines Dashboards, vereinfacht das Verständnis der Businessdaten auf allen Ebenen eines Unternehmens und hilft jedem, die Auswirkungen von Entscheidungen besser zu verstehen. Ganz entscheidend dabei sind Echtzeitdaten zur Lösung von Problemen, die nicht warten können. Kurzfristig geht es darum, unmittelbar nach Bekanntwerden auf nicht geplante Konstellationen wie fehlende Teile oder eine alternative Beschaffung reagieren zu kön-nen. Diese Einblicke in alle unternehmenskritischen Geschäftsprozesse schaffen Business-Intelligence-Lösungen mit den passenden Datenzugriffsmöglichkeiten.

Lexikon: Das SCOR-Modell

SCOR, das Supply-Chain-Operations-Reference-Modell, beschreibt in einem Framework interne und unternehmensübergreifende Order-Management-Prozesse. Entwickelt wurde SCOR 1996 von den beiden US-Unternehmens¬beratungen Pittiglio Rabin Todd & McGrath (PRTM) und AMR Research (AMR). Den Kern des SCOR-Modells bilden fünf Supply-Chain-Management-Prozesse, die mit Konzepten wie Business Process Management, Business Process Reengineering, Benchmarking und Best-Practices verzahnt sind. Die fünf Managementprozesse auf der obersten Ebene sind:
1. Planung (Plan): Abstimmung von Angebot und Nachfrage
2. Beschaffung (Source): Bereitstellung von (Vor-)Produkten und Dienstleis-tungen
3. Herstellung (Make): Produktion von Zwischen- oder Endprodukten; Fertigungsprinzipien sind die Lager-, die Auftrags- und die Programmfertigung
4. Lieferung (Deliver): Zustellung von Produkten oder Dienstleistungen an Kunden – einschliesslich des zugehörigen Auftrags-, Lager-, und Transportmanagements
5. Rückgabe (Return): Rücksendung von nicht benötigten Rohstoffen oder auch von schadhaften Produkten.
Auf der nächstfolgenden Ebene nimmt das SCOR-Modell eine Zuordnung der SCOR-Prozesse zu drei Prozesstypen vor:
- Planungsprozesse (Planning)
- Ausführungsprozesse (Execution)
- Unterstützungsprozesse (Enable).
Durch Verknüpfung von Managementprozessen und Prozesstypen entsteht eine Matrix mit möglichen Prozesskombinationen, die beim Aufbau einer Supply Chain zwischen Ausrüstern, Dienstleistern und Zulieferern zu berücksichtigen sind.

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Gastautor Giuseppe Scattarreggia, Technical Manager Switzerland bei Information Builders, http://www.informationbuilders.ch
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