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IT-Fachkräfte sind in der Schweiz weiterhin äusserst gefragt. Immer mehr HR-Abteilungen greifen heute für die Arbeitnehmersuche auf Online-Jobplattformen und soziale Medien zurück. Trotzdem sieht Marc Lutz in diesen Diensten keine echte Gefahr für die traditionellen Rekrutierer. Ungleich mehr Sorgen bereitet dem Geschäftsführer von Hays Schweiz die anstehende Umsetzung der Masseneinwanderungsinitative vom letzten Februar.

Interview: Karlheinz Pichler

In den europäischen Ländern sind die Arbeitslosenraten noch immer eklatant hoch. Das scheint allerdings nicht für die IT-Branche zu gelten. Da herrscht noch immer ein Fachkräftemangel. Wie sieht die Situation im IT-Fachkräftemarkt international und speziell in der Schweiz derzeit aus?

Marc Lutz: In vielen europäischen Ländern herrscht trotz hoher Arbeitslosenquote ein Mangel an hochqualifizierten Fachkräften. Dies trifft auch auf die IT-Branche in der Schweiz zu. Aufgrund der Verlagerung vieler Berufsfelder ins Ausland werden in der Schweiz hauptsächlich koordinierende und wertschöpfende Tätigkeiten nachgefragt, während im internationalen Umfeld oft auch Low-Level-Entwickler fehlen. Im Grossen und Ganzen fehlen aber auch in der Schweiz viele IT-Spezialisten, das Bild entspricht weitgehend demjenigen in vielen europäischen Ländern.

Wie kann sich ein Personalrekrutierungshaus wie Hays gegen die überall sehr präsent scheinenden Online-Jobportale und Firmenwebsites, die die offenen Stellen direkt ausschreiben, behaupten?

Marc Lutz: Online-Jobportale und Firmenwebsites sind geeignet für Stellensuchende, die sich auf dem Markt bereits auskennen und eine exakte Vorstellung ihres zukünftigen Arbeitgebers mitbringen. Die meisten hochqualifizierten Arbeitskräfte wollen aber ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zuerst genauer ergründen. Dank eines umfassenden Marktüberblicks kann ihnen ein Personalrekrutierungshaus neue Chancen aufzeigen. In persönlichen Gesprächen werden die Vorlieben und Ansprüche der Bewerber geprüft. Hays schlägt nur Arbeitgeber vor, die perfekt zu den Bewerbern passen und auch individuelle Anforderungen erfüllen können. Dadurch nehmen wir unseren Klienten viel Arbeit ab.

Ein anderer Trend ist die Rekrutierung über Social Media, beispielsweise Linkedin und Xing. Wir nutzen diese Plattformen selber und suchen dort aktiv nach interessanten Profilen. Tatsächlich erkennen aber auch die HR-Verantwortlichen von grösseren Unternehmen zunehmend das Potenzial sozialer Medien. Insbesondere für Festanstellungen finden sie hier oft passende Kandidaten. Trotzdem sehen wir diese Plattformen nur bedingt als Alternative zu professionellen Personalrekrutierern wie Hays. Bei projektbezogenen Arbeitsplätzen und in kleineren Unternehmen ohne interne HR-Abteilung fehlen auch meistens die Ressourcen für eigene Recherchen.

Viele Unternehmen setzen Ihr IT-Personal länderübergreifend ein. Könnten hier nicht drohende gesetzliche Hürden aufgrund der Schweizer Masseneinwanderungsinitiative zu massiven Behinderungen von internationalen Projekten führen?

Marc Lutz: Neue gesetzliche Hürden wie die Masseneinwanderungsinitiative können für internationale Projekte zu erheblichen Komplikationen führen. Oft ist es einfacher, gesamte Projekte zu verlagern, als länderspezifische Regulierungen zu akzeptieren. Wenn Ressourcen oder Arbeitskräfte in einem Land knapp werden, müssen weltweit tätige Unternehmen darauf reagieren und sich im Extremfall komplett neu orientieren. Der Standort Schweiz verliert für viele internationale Projekte an Attraktivität, und auch für grössere einheimische Unternehmen wird Auslagerung in Zukunft vermehrt ein Thema werden.

Inwieweit schadet diese Initiative dem Image der Schweiz als offenes Land?

Marc Lutz: Einige unserer Kandidaten haben seit der Annahme der Initiative ihre Dossiers zurückgezogen. In der Personalbranche ist also bereits spürbarer Schaden entstanden, obwohl die Umsetzung der Initiative erst bevorsteht. Wir gehen davon aus, dass das Image der Schweiz als attraktiver Arbeitsmarkt auch in Zukunft darunter leiden wird. Die teilweise eher einseitige Berichterstattung in der Presse verstärkt diesen Effekt zusätzlich.

Glauben Sie, dass diese Initiative der Schweizer Wirtschaft künftig noch grosses Kopfzerbrechen bereiten könnte?

Marc Lutz: Der Wohlstand der Schweiz basiert meiner Ansicht nach auf drei Säulen: Flexibilität, Stabilität und Bildung. Durch die Masseneinwanderungsinitiative wird die Flexibilität eingeschränkt. Die Folgen davon sind zurzeit schwer einschätzbar, sie könnten die Schweizer Wirtschaft aber noch länger beschäftigen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie die Schweiz mit dieser neuen Regulation umgeht und wie sich der Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren entwickelt. Die Herausforderung besteht jetzt darin, das System zu regulieren, ohne sich selber die Luft abzuschneiden.

Wirken sich Megatrends im IT-Bereich wie etwa Cloud, Big Data, Mobility oder Social Media auch auf die Strategien eines Rekrutierungshauses wie Hays aus?

Marc Lutz: Grundsätzlich sind alle Trends und neuen Technologien von Bedeutung für ein Rekrutierungsunternehmen. Wir agieren am Bedarf, und neue Technologien schaffen neue Jobprofile und Arbeitsplätze. Wir bilden zwar selber keine Leute aus, sind aber stets auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften. In neuen Disziplinen müssen wir selber zuerst geeignete Kandidaten kennenlernen und unser eigenes Netzwerk aufbauen, deshalb lesen wir in vielen Foren mit, besuchen Vorträge, analysieren Social-Media-Profile und halten unsere Datenbank aktuell. Dadurch können wir auch bei Anfragen für Trendthemen schnell reagieren und auf ein umfangreiches Netzwerk zurückgreifen.

Spielt eigentlich das persönliche Bewerbungsgespräch im IT-Zeitalter der Online-Bewerbungen und der strukturierten Rekrutierungsprozesse noch eine Rolle im Bewerbungsprozess?

Marc Lutz: Ein Bewerbungsgespräch ist nach wie vor der wichtigste Schritt im Bewerbungsprozess. Daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Das Erstellen von CVs zählt nur selten zu den Stärken von IT-Spezialisten, und auf Arbeitszeugnisse wird je länger je weniger Wert gelegt, da diese oft ziemlich einheitlich sind. Deshalb bleibt das persönliche Gespräch weiterhin von entscheidender Bedeutung. Fachliche Kenntnisse sind gewichtige Argumente, aber neue Arbeitskräfte müssen sich auch in ein bestehendes Team integrieren können – und ob Bewerber zwischenmenschlich ins Unternehmen passen, lässt sich nur in einem persönlichen Gespräch beurteilen. Online-Bewerbungen und ausgefeilte Rekrutierungsprozesse helfen vor allem bei der ersten Selektion, endgültige Entscheidungen werden aber auch in Zukunft nach einem Vorstellungsgespräch fallen.

In welchen Bereichen sehen Sie aus der Sicht des Personalrekrutierers mittelfristig die grössten Herausforderungen?

Marc Lutz: In der Schweiz wird der Mangel an hochqualifizierten Fachkräften weiter zunehmen und es wird immer schwieriger werden, entsprechende Stellen zu besetzen. Während man einen Koch notfalls auch im Service beschäftigen kann, ist der Einsatzbereich von Spezialisten wesentlich eingeschränkter. Oft beherrschen sie einzelne, spezifische Tätigkeiten und können nur dafür herangezogen werden. Für Rekrutierer wird es also auch in Zukunft viele anspruchsvolle Aufgaben geben. Ein zentraler Aspekt dabei ist die bereits angesprochene Masseneinwanderungsinitiative. Das Entwerfen neuer Dienstleistungen, um den Wegfall internationaler Spitzenkräfte zu überbrücken, wird zur grossen Herausforderung der nächsten Jahre werden.

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\"Der Standort Schweiz verliert für viele internationale Projekte an Attraktivität!\" (Marc Lutz, Geschäftsführer von Hays Schweiz)
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\"Ein Bewerbungsgespräch ist nach wie vor der wichtigste Schritt im Bewerbungsprozess.\" (Marc Lutz, Geschäftsführer von Hays Schweiz)