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Ein neues Schweizer Forschungsprogramm nimmt die Abwärme von Rechenzentren ins Visier. Mit der sogenannten Thrive-Technologie soll es möglich werden, die Abwärme von Datacentern dahingehend zu nutzen, dass damit Gebäude geheizt und gekühlt werden können. Das Projekt steht unter Leitung von IBM Research in Rüschlikon und der Hochschule für Technik in Rapperswil.

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms "Energiewende" (NFP 70) unterstützt der Schweizerische Nationalfonds (SNF) das interdisziplinäre Forschungsvorhaben Thrive ("Thermally driven adsorption heat pumps for substitution of electricity and fossil fuels"). Unter der Leitung des IBM-Forschungslabors in Rüschlikon bei Zürich und der Hochschule für Technik Rapperswil arbeiten Wissenschaftler der Empa, der ETH Zürich, der HEIG-VD (Haute Ecole d'Ingénierie et de Gestion du Canton de Vaud) und des PSI (Paul-Scherrer-Institut) gemeinsam mit Industriepartnern bis 2017 an der Erforschung einer mit Abwärme angetriebenen Wärmepumpe. Dieses Verfahren benötigt im Vergleich zu heutigen Kompressionswärmepumpen nur sehr wenig Strom und kann zudem bisher ungenutzte Abwärme aus der Industrie zur Klimatisierung von Gebäuden weiterverwenden. Das Verbundprojekt ist Teil der SNF-Forschungsinitiative zur Unterstützung der Umsetzung der "Energiestrategie 2050" des Bundes und steht derzeit noch weiteren interessierten Industriepartnern für eine Zusammenarbeit offen.

Beim Thrive-Projekt handelt es sich hauptsächlich um neuartige so genannte Adsorptionswärmepumpen. Da für ihren Antrieb Wärme statt Strom verwendet wird, könnte die Technologie einerseits das Stromnetz entlasten und andererseits die Abwärme von z.B. Rechenzentren, Fabriken, Kraftwerken oder erneuerbaren Quellen wie Solarthermie, Geothermie und Biomasse nutzbar machen. "Abwärme wird bisher viel zu wenig genutzt, da einerseits die technischen Möglichkeiten für eine ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Verwendung und andererseits die Notwendigkeit fehlten", erläutert dazu Bruno Michel, Manager der Gruppe Advanced Micro Integration am IBM Forschungszentrum in Rüschlikon und einer der Projektleiter. "Durch den grossflächigen Einsatz von Adsorptionswärmepumpen, wie wir sie im Thrive-Projekt entwickeln wollen, wäre theoretisch bis 2040 eine Reduktion des Strombedarfs für Heiz- und Kühlzwecke um bis zu 65 Prozent und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zur Wärmeerzeugung um bis zu 18 Prozent möglich." Dies entspräche einer Einsparung von 1,8 Millionen Tonnen CO2.

Wärmepumpen dienen heute meist dazu, Umweltwärme, die eine Temperatur zwischen -5 und 15 °C aufweist, in Heizwärme für Räume oder Prozesse aufzuwerten. Traditionelle Wärmepumpen entziehen der Umgebung Wärme, beispielsweise aus dem Erdreich oder der Luft, um ein Kältemittel in einem Verdampfer zu verdampfen. Der entstandene Dampf steigt in einen elektrisch betriebenen Kompressor, der ihn verdichtet und dadurch erhitzt. Im anschliessenden Kondensator verflüssigt sich der Dampf wieder und gibt die Wärme an einen Heizkreislauf ab. Mit diesem Prozess kann sowohl Wärme für die Klimatisierung von Räumen als auch Kälte wie in einem Kühlschrank produziert werden.

Die thermisch betriebene Adsorptionswärmepumpe funktioniert ähnlich. Der grosse Unterschied ist, dass sich anstelle des Kompressors ein Adsorptionswärmetauscher befindet, der anstatt Elektrizität Wärme bei einer Temperatur ab 60°C als Antriebsenergie nutzt. Während des so genannten Adsorptionsprozesses werden von dem Adsorptionswärmetauscher erhebliche Mengen Dampf aus dem Verdampfer aufgenommen (adsorbiert). Dieser wird dabei im Inneren eines Sorptionsmaterials, das sich auf dem Wärmetauscher befindet, verdichtet, wodurch Wärme freigesetzt wird. Über die Zufuhr der Antriebswärme von einer äusseren Quelle wird das zuvor adsorbierte Kältemittel wieder aus dem Adsorptionswärmetauscher ausgetrieben (desorbiert). Der dadurch freigesetzte heisse Dampf wird im Kondensator wieder verflüssigt und die entsprechende Kondensationswärme an den Heizkreislauf abgegeben. Auch die Adsorptionswärmepumpe kann sowohl heizen als auch kühlen. Da die Kälte- bzw. Wärmeerzeugung diskontinuierlich erfolgt, sind mindestens zwei parallel arbeitende Adsorptionswärmetauscher für den unterbruchsfreien Betrieb notwendig.

Durch ihren geringen Stromverbrauch erreichen Adsorptionswärmepumpen im Vergleich zu herkömmlichen Wärmepumpen ein Mehrfaches der erzeugten Kälte- bzw. Wärmeleistung im Verhältnis zur eingesetzten elektrischen Leistung. Ausserdem kann als Kältemittel reines Wasser anstelle von zum Teil wenig umweltfreundlichen Kältemitteln genutzt werden. Ein weiterer Vorteil der Technologie ist, dass erneuerbare Wärmequellen verwendet werden können, wie zum Beispiel solarthermische Anlagen, die typischerweise Temperaturen von bis zu 90°C erzeugen.

Durch die Wärmenutzung eignet sich die Adsorptionswärmepumpe für viele Anwendungen, in denen herkömmliche Wärmepumpen nicht sinnvoll sind. Sie könnte zum Beispiel die Abwärme aus zukünftigen aktiv gekühlten konzentrierten Photovoltaikanlagen oder heisswassergekühlten Rechenzentren nutzen, um Büro- und Wohngebäude zu klimatisieren. Das Aquasar-Computersystem, das von IBM-Forschern in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich entwickelt wurde, ist ein Vorreiter für die Heisswasserkühlung von Computersystemen, die nicht nur den Energiebedarf für die Kühlung in Rechenzentren massiv senkt, sondern auch eine Abwärmenutzung ermöglicht. Für die IBM Forscher ist Thrive der nächste Schritt, um dies Realität werden zu lassen. Rechenzentren könnten sich dann mit der eigenen Abwärme praktisch selber kühlen.



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