Symbolbild:EPFL

In der Schweiz stehen die Menschen der digitalen Erfassung und Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten skeptisch gegenüber. Fast jede und jeder Zweite ist dazu nicht bereit. Dies geht aus der neuen Deloitte-Studie "Digitalisierung der Gesundheitsdaten: grosse Chancen, grosse Skepsis" hervor. Gemäss dieser repräsentativen Umfrage mit 1’500 Teilnehmenden will fast die Hälfte (45 Prozent) nicht, dass ihre Gesundheitsdaten digital gespeichert und weitergegeben werden. Unter den befragten Frauen ist die Ablehnung (48 Prozent Nein-Anteil) sogar noch etwas ausgeprägter.

"Unsere Befragung lässt darauf schliessen, dass viele Menschen in der Schweiz befürchten, die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten zu verlieren", betont Kishwar Chishty, Partnerin Risk Advisory bei Deloitte Schweiz und Deloitte Global Life Sciences Industry Cyber Lead. Das mangelnde Vertrauen könne jedoch durch Aufklärung und Transparenz sowie durch Aufzeigen des möglichen Nutzens digitalisierter Gesundheitsdaten für die Menschen selbst wie auch für das Gesundheitswesen als Ganzes gestärkt werden. Der hohe Anteil der Befragten, die sich noch keine Meinung gebildet haben (20 Prozent), lasse hoffen.

Einerseits ist nun die Politik gefordert, die öffentliche Debatte über ein einheitliches, ausreichend gesichertes und überwachtes digitalisiertes Gesundheitssystem anzuregen und auf Bundesebene die notwendigen Voraussetzungen für dessen nachhaltige und einheitliche Umsetzung zu schaffen. Andererseits müssten sich die Anbieter digitaler Lösungen, die medizinischen Einrichtungen und die Fachkräfte im Gesundheitswesen stärker um das Vertrauen der Patientinnen und Patienten bemühen und die Vorteile einer Digitalisierung hervorheben, heisst es. Zu den wichtigsten Vorteilen einer systematischen Digitalisierung gehöre das Potenzial für erhebliche Effizienz- und Effektivitätssteigerungen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Patientenversorgung sowie auf die schon seit Langem immer komplexer werdenden Abläufe.

Transparente, sichere und verständliche Lösungen, die berechtigte Bedenken aufgreifen und Patientinnen und Patienten einen konkreten Nutzen bieten, könnten die vorhandene Skepsis nämlich mindern. "Unsere Umfrageergebnisse kommen für mich einem Appell an die Vertreterinnen und Vertreter des Schweizer Gesundheitswesens gleich, ihr Engagement für eine Digitalisierung zu erhöhen", sagt Annieck de Vocht, Leiterin Healthcare bei Deloitte Schweiz.

Die Deloitte-Umfrage zeigt zudem, dass die potenziellen Gefahren stärker gewichtet werden als der Nutzen. Das deute darauf hin, dass in der Bevölkerung noch kein ausreichend hohes Bewusstsein für die konkreten Vorteile vorhanden sei. "Es braucht eine offene und transparente Kommunikation über Chancen und Risiken eines digitalisierten Gesundheitswesens. Dazu müssen alle Interessengruppen ihren Beitrag leisten. Denn schliesslich kommt die Weitergabe von Gesundheitsdaten dem Gesundheitswesen als Ganzes zugute", so De Vocht.

Das fehlende Vertrauen in die Leistungserbringer und die Angst vor Datenmissbrauch hängen den Studienmachern zufolge zu einem erheblichen Teil damit zusammen, dass die Patientinnen und Patienten nicht wüssten, wann und wie ihre Gesundheitsdaten digital erfasst werden und wer danach Zugriff auf sie habe. Nur ein Drittel der Befragten ist zum Beispiel der Ansicht, dass auch die medizinische Forschung von digitalisierten Gesundheitsdaten profitieren kann. Die Bereitschaft der Befragten zur Weitergabe ihrer persönlichen Gesundheitsdaten wäre jedoch viel grösser, wenn dies in anonymisierter Form erfolgen könnte. So hätten diese Gewissheit, dass sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt identifiziert werden können.

Wo ein persönlicher Kontakt besteht, etwa zum Hausarzt oder der Apothekerin, ist das Vertrauen und die Bereitschaft, mit dieser Person die eigenen Gesundheitsdaten zu teilen, höher. Uneingeschränkter Zugriff auf die persönlichen Gesundheitsdaten wird am ehesten den behandelnden Ärztinnen und Ärzten (58 Prozent) gewährt. Wird im Vorfeld eine Einverständniserklärung eingeholt, steigt die Bereitschaft sogar auf 94 Prozent.

Als Vertrauenspersonen wären medizinische Fachkräfte die idealen "Digitalisierungs-Botschafter", um bei Patientinnen und Patienten Aufklärungsarbeit zu leisten und die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens voranzutreiben. Damit diese jedoch eine solch herausfordernde Aufgabe stemmen könnten, brauche es entsprechende Unterstützungsstrukturen, Fachkenntnisse und Netzwerke. Mehr noch: "Vertrauenswürdige Meinungsführerinnen und Meinungsführer aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft müssen die positiven Effekte eines digitalisierten Gesundheitswesens in Form konkreter Beispiele aus der Praxis vermitteln", so Patricia Gee, Life-Sciences-Partnerin und Leiterin der Future of Health Initiative bei Deloitte Schweiz.

Verstehen die Menschen den Verwendungszweck oder die damit verbundenen Vorteile, seien sie eher bereit, ihre persönlichen Gesundheitsdaten in digitaler Form preiszugeben. So hätte beispielsweise jede dritte befragte Person keine Einwände gegen die Weitergabe von Daten, wenn dadurch ihre eigene Gesundheitsversorgung verbessert und eine auf sie zugeschnittene Behandlung gewährleistet würde.

Auch die besondere Erschwernis, die das föderalistische Entscheidungssystem in der Schweiz für ein systematisch digitalisiertes Gesundheitssystem darstellt, könne überwunden werden. Das setze jedoch politischen Willen voraus und die Bereitschaft aller Interessensgruppen im Gesundheitswesen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden und für diese einzustehen. "Für eine erfolgreiche Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens bräuchte es mit Blick auf die Erfassung und den Austausch von Daten eine bessere Systemkompatibilität zwischen den verschiedenen Spitälern sowie den übrigen Gesundheitsdienstleistern. Gleichzeitig braucht es auch eine engere Zusammenarbeit der Spitäler mit den Krankenversicherern und der Branche insgesamt sowie mit den – im Gesundheitswesen zentralen – kantonalen Akteuren, wobei seitens des Bundes gewisse Governance-Vorgaben zwingend wären", meint De Vocht.

Patricia Gee rät der Branche, kontinuierlich und transparent am Thema dranzubleiben und einen offenen Dialog mit allen Stakeholdern zu führen.



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