Malcolm Werchota (Bild: zVg)

Malcolm Werchota ist Mitgründer von Werchota.ai und KI-Berater für Fortune-500-Unternehmen. Er führte bereits über 60 GenAI-Workshops zur KI-Adaption in Unternehmen durch, unter anderem für Microsoft Schweiz, Nestlé oder Johnson & Johnson. Werchota, der am diesjährigen Digital Summit Liechtenstein (15. April) ein praxisorientiertes Referat über die Einführung von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen halten wird, erläutert in nachfolgendem Interview unter anderem die Schlüsselfaktoren und die Herausforderungen bei der Einführung von KI.

Interview: Martin Knoepfel

ICTkommunikation: Welches sind für Sie als erfahrenem KI-Berater die Schlüsselfaktoren, um KI erfolgreich in ein Unternehmen zu integrieren und nachhaltig zu nutzen?

Malcolm Werchota: Es gibt prinzipiell drei Schlüsselfaktoren. Der erste ist, dass es sehr wichtig ist, dass Mitarbeiter KI als Chance und nicht als Bedrohung sehen. Die kann etwa durch sogenannte KI-Entdeckungsworkshops, die die Möglichkeiten von KI im Unternehmen aufzeigen.
Der zweite ist die Verankerung von KI in der gesamten Unternehmensstrategie. Wenn KI nicht fixer Bestandteil der Strategie ist, zieht man letztendlich in viele verschiedene Richtungen.

Und der dritte Faktor ist die Leidenschaft, bei KI-Tools am Ball zu bleiben. Wir sehen Unternehmen, die nur Copilot oder nur Chat GPT oder das interne GPT verwenden und relativ schnell stagnieren. Im Wesentlichen gibt es jede Woche ein neues Modell. Es gibt jede Woche neue KI-Funktionen von Tools. Und es ist wichtig, dass man eine sogenannte Hub-and-Spoke-Struktur schafft, in der all diese neuen Informationen immer an den Rest des Unternehmens oder an sogenannte Key-User weitergegeben werden können.

ICTkommunikation: Welches sind die grössten Herausforderungen, denen sich Unternehmen bei der Implementierung von KI stellen müssen?

Malcolm Werchota: Ich denke da im Wesentlichen an drei Herausforderungen. Die erste ist, dass Unternehmen selbst nicht verstehen, welche KI-Fähigkeiten es grundsätzlich gibt. Sie schulen ihre Mitarbeiter etwa, wie man eine E-Mail mit Microsoft Copilot schreibt, wobei man den gesamten Verkaufsprozess mit Microsoft Copilot neu gestalten könnte.
Die zweite ist, dass Unternehmen nicht in der Lage sind, KI-Tools zu entwickeln. Dies wäre aber wichtig, weil das Vertrauen auf Chat GPT und andere solche Tools dazu führt, dass Mitarbeiter Daten in öffentliche KI-Systeme und Frontier-Modelle einspeisen, anstatt die Fähigkeit im Unternehmen zu behalten. Daher sollten Unternehmen so schnell wie möglich sogenannte Unternehmens-GPT-Plattformen einrichten.
Und die dritte ist eine funktionsübergreifende Akzeptanz. Vielleicht nutzt die Marketingabteilung und die Personalabteilung KI viel, aber nicht die C-Ebene und vielleicht nicht die Produktionsabteilung. Deshalb versuchen wir bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen, von Anfang an sogenannte grosse funktionsübergreifende Workshops mit 40, 50, 60 Personen aus allen verschiedenen Funktionsbereichen des Unternehmens zu verankern.

ICTkommunikation: Sie haben bereits zahlreiche GenAI-Workshops durchgeführt. Haben Sie da schon Überraschungen erlebt?

Malcolm Werchota: Was mich am meisten überrascht hat, ist, dass die fortgeschrittenen KI-Nutzer meistens nicht aus der IT-Abteilung kamen. Es gibt wirklich zwei Extreme in Unternehmen. Entweder Personen mit einer sehr gehobenen Position, die graue Haare haben, weil diese Leute schon eine Revolution durchgemacht haben, bei der sie von Fax zu E-Mail gewechselt haben, als Google aufkam, als sie sich an Social Media anpassen mussten. Und jetzt gibt es alle 10 bis 15 Jahre eine grosse Revolution. Und jetzt ist die nächste dran, die KI-Revolution. Es ist also etwas, auf das sie leicht aufspringen können. Und das andere Extrem sind offensichtlich und wie erwartet sehr, sehr junge Mitarbeitende. Es könnte ein Praktikant in einer Abteilung sein, der KI versierter einsetzt als jeder andere im gesamten Unternehmen.

ICTkommunikation: Welche konkreten KI-Anwendungsfälle könnten für ein Unternehmen besonders vielversprechend sein?

Malcolm Werchota: Was wir Unternehmen immer empfehlen, ist der sogenannte Zahnbürsten-Test, der darlegt, nach welchem Prinzip Google Unternehmen kauft. Die Unternehmen sollten Prozesse identifizieren, die nicht einmal im Monat oder einmal in der Woche durchgeführt werden, sondern täglich. Und dann sollten sie die Auswirkungen quantifizieren, wie dieser Prozess mit Unterstützung von KI aussehen würde. Aber die grossen Anwendungsfälle, bei denen wir einen enormen Einfluss sehen, sind die Übernahme gesamthafter Prozesse und deren Neugestaltung mit KI-Agenten. Sei es bei Prozessen für die Aufnahme neuer Kunden, sei es bei Prozessen für eine Wissensdatenbank, um auf alle Tickets aus der IT oder aus F&E zuzugreifen. Oder die dritte Möglichkeit ist, verschiedene Datenquellen zusammenzuführen, zum Beispiel Salesforce, zum Beispiel die Unternehmensbesprechungen oder die E-Mails.

ICTkommunikation: Wie sollten Unternehmen hinsichtlich KI mit Themen wie Datensicherheit oder ethischen Fragen umgehen?

Malcolm Werchota: Also diesbezüglich gebe ich Unternehmen wirklich zu verstehen, dass sie im Rennen etwa ein Jahr zu spät dran sind. Diese Probleme wurde schon vor einem Jahr gelöst. Und jeder, der immer noch sagt, dass er KI nicht wegen der Datensicherheit eingesetzt habe, sucht nur eine Ausrede, um KI nicht einzuführen. Man kann innerhalb weniger Tage auf der Azure-Infrastruktur, in der Azure-Cloud, mit einem Open AI-Service auf die gleiche Weise ein KI-System auf den internen Unternehmensdaten einrichten. Das ist sicher. Banken machen das. Versicherungen machen das. Und sogar Regierungen machen es auf diese Weise. Wer noch immer sagt, dass er KI aus ethischen Gründen oder aus Gründen der Datensicherheit nicht einsetzt, der hat mit diesem Thema noch gar nicht angefangen.

ICTkommunikation: Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Einführung von KI?

Malcolm Werchota: Das ist sicher eines der grössten Themen. Wir sehen, dass Unternehmen mit einer relativ kleinen Grösse mit weniger als 10.000 Mitarbeitenden, KI agiler und schneller einführen können als offensichtlich ein sehr, sehr grosses Unternehmen. Sei es Siemens oder Airbus oder Boeing und so weiter. Die Unternehmenskultur ist dabei sehr wichtig, denn wir sehen, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter experimentieren und Dinge ausprobieren lassen und innovativ sein lassen, viel mehr Spielraum haben, um KI einzuführen. Wenn man hingegen sehr patriarchalische oder sehr strenge Unternehmensrichtlinien hat, dann sehen wir sofort an der Arbeitsweise der C-Ebene, ob sie in der Lage sind, KI einzuführen.

ICTkommunikation: Welches sind typische Fehler bei der Einführung von KI?

Malcolm Werchota: Der erste ist, keinen Raum zum Experimentieren zu lassen. Wenn wir in Unternehmen gehen, sagen wir im ersten Monat: keine Richtlinien. Lasst sie einfach spielen und experimentieren. Indem man die Leute mit KI spielen und experimentieren lässt, schaffen sie einen sicheren Raum, in dem sie KI nutzen können.

Der zweite Fehler ist, dass der Vorstand oder die C-Ebene KI nicht nutzt. Ich würde sagen, dass 70 Prozent aller Unternehmen, mit denen ich arbeite, KI von oben nach unten vorantreiben, aber die C-Ebene selbst KI nicht nutzt. Was für ein Rollenmodell bieten wir, wenn die C-Ebene versucht, jeden dazu zu bringen, KI zu nutzen, aber sie selbst nutzen sie nicht? Darüber gilt es nachzudenken.

Der dritte Fehler ist, nicht relativ schnell auf eine KI-Modellstruktur einzugehen. Manchmal verwenden viele Unternehmen viele verschiedene Modelle: Google, Gemini, ChatGPT, Cloud von Anthropic usw. Wenn sie jedoch relativ schnell auf eine Technologie setzen und beginnen, Lösungen zu entwickeln, seien es sogenannte benutzerdefinierte GPTs oder KI-Agenten, dann erhält man eine schnelle Skalierbarkeit.

ICTkommunikation: Wo stehen Unternehmen in der DACH/Liechtenstein-Region im internationalen Vergleich heute, wenn es um den Einsatz von KI geht?

Malcolm Werchota: Okay, ich denke, wir müssen dies etwas aufschlüsseln. Die meisten Unternehmen haben in letzter Zeit Preise gewonnen, und sie haben Preise für die Einführung von KI gewonnen. In Österreich ist es das Unternehmen „Engel“. In Deutschland ist es das Unternehmen Miele. Aber auch in Liechtenstein ist offensichtlich die Bank LGT im Vergleich zu ihren Mitbewerbern sehr weit und sehr fortgeschritten in der Nutzung von KI. Ich denke, dass im Allgemeinen, wenn ich nach Osteuropa schaue, zum Beispiel Polen und Rumänien, dass die Unternehmen dort hinsichtlich der Einführung von KI weiter sind. Aber ich denke immer noch, dass Unternehmen in der DACH-Region Vorreiter sind, und wer die Technologie jetzt noch nicht angefasst hat, hat immer noch die Möglichkeit, schnell auf den Zug aufzuspringen und mit Beratern zusammenzuarbeiten, um ihnen zu helfen, ihre KI-Einführung schnell voranzutreiben.

Im Moment sind die grossen Champions natürlich China und die USA. Ich denke, die USA sind sehr, sehr weit, auch wegen der Tatsache, dass sie ein weniger reguliertes Umfeld haben, und China ist sehr weit, weil es einen grossen geopolitischen, aber auch politischen Druck gibt, Unternehmen zu motivieren, KI einzuführen und sogar KI-Lösungen zu entwickeln und kostenlos anzubieten, wie zum Beispiel bei Deep Seek.

ICTkommunikation: Welche Entwicklungen im KI-Bereich werden aus Ihrer sicht in den nächsten Jahren für Unternehmen besonders relevant sein?

Malcolm Werchota: Der Trend für 2025 sind KI-Agenten. KI-Agenten werden also relativ schnell eingeführt, und dann folgt für die nächsten zwei, drei Jahre die Abschaffung ganzer Abteilungen. Man überlegt, wie man den Vertrieb ohne eine Armee von Verkäufern bewältigt, oder wie man eine Personalabteilung nur mit der Unterstützung einer Armee von KI-Agenten führen kann. Wir bewegen uns also von einzelnen Aufgaben, die von KI-Agenten erledigt werden, hin zur Ersetzung ganzer Prozesse und ganzer Abteilungen.

Und der nächste Trend, den ich jetzt auch langsam kommen sehe, ist, dass die Aktionäre diejenigen sein werden, die Unternehmen drängen, KI einzuführen, weil sie wissen, dass ihr Aktienkurs und auch ihre Performance verbessert werden könnten, wenn sie KI einführten. Eine der grössten Anwaltskanzleien in der Schweiz etwa steht unter enormem Druck seitens ihrer Kunden, die da fragen: "Wie setzt ihr KI ein und nutzt sie, damit ihr effizienter werdet, Prozesse schneller für mich abwickelt und auch meine Kosten senkt, die ihr mir berechnet?"

ICTkommunikation: Im Rahmen des Digital Summits 2025 referieren Sie über „KI-Praxis im unternehmerischen Umfeld“. Um was geht es da genau?

Malcolm Werchota: Ich glaube fest daran, dass ganze Prozesse schon heute mit KI revolutioniert werden können. Ich möchte dies nicht nur an Beispielen aus meinem Unternehmen, sondern auch an anderen Kunden aufzeigen. Und was am wichtigsten ist: Wenn Unternehmen KI noch nicht in allen Teilen ihres Geschäfts eingeführt haben, leben sie nicht hinter dem Mond, sie leben nicht hinter dem Mars, sie leben auf einem Planeten, der hinter allen Galaxien liegt, einem sehr dunklen Planeten namens „Planet der Leute, die nicht zehn Mal am Tag Chat GPT benutzen.“ Und natürlich möchte ich, dass die Gäste Spass haben und ein bisschen lachen, und es wird ein bisschen Show und viele praktische Beispiele geben.

Digital Summit 2025: KI-Transformation als Schlüssel der digitalen Zukunft Der Digital Summit verwandelt am 15. April den Vaduzer-Saal erneut zum Dreh- und Angelpunkt der digitalen Transformation. An der führenden Digitalkonferenz der Region sprechen hochkarätige Expertinnen und Experten wie Google Schweiz Chefin Christine Antlanger-Winter, Stephan Sigrist, Gründer des Think Tanks W.I.R.E., Autor und Komiker Patrick Karpiczenko, KI-Experte Malcolm Werchota oder Fabian Schmid, neuer Amtsleiter Informatik über die Erfolgsfaktoren und die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) für Wirtschaft und Gesellschaft. Programm und Tickets: www.digitalsummit.li