Symbolbild: Adobestock

Drei Viertel (75 Prozent) der Verwaltungsangestellten konnten während des Lockdowns in der Schweiz gar nicht oder nur teilweise von zuhause aus arbeiten. Das geht aus einer Umfrage von Deloitte Schweiz hervor. Grund dafür sind demnach eine kaum vorhandene digitale Infrastruktur und zu geringe Ausschöpfung des bestehenden Technologiepotenzials. Auch bei den technischen Voraussetzungen für E-Government bestünden noch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten, so die Studie. Immerhin sei während der Corona-Krise das Vertrauen der Bevölkerung in digitale Dienstleistungen sogar ein wenig gestiegen. Behörden sollten das Momentum nutzen und jetzt nachhaltig in die Digitalisierung investieren, folgert Deloitte. So könne das Bewusstsein für die Vorteile der Digitalisierung bei der Bevölkerung und den staatlichen und kantonalen Mitarbeitenden weiter gestärkt werden.

Laut der Umfrage hat die Corona-Krise auch in der öffentlichen Verwaltung Schwächen und Versäumnisse der letzten Jahre klarer ans Licht gebracht. Vor allem bei der Digitalisierung hätten die Behörden in der Schweiz noch viel nachzuholen, heisst es. Dabei hätte die Schweiz das Potenzial, in Sachen Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung international ein Spitzenreiter zu sein. Vor allem rechtliche Rahmenbedingungen, die einer Digitalisierung im Wege stündenn, und eine ungenügende technische Infrastruktur verhinderten jedoch, dass die Schweizer Behörden bei der Digitalisierung weiterführende Fortschritte erzielen könnten. Deloitte Schweiz befragte für die repräsentative Studie 1'500 Personen, darunter 500 Verwaltungsangestellte, zum Thema Digitalisierung und E-Government.

Der Anteil der Verwaltungsangestellten, die während der Corona-Krise vollständig von zu Hause aus arbeiten konnten, liegt der Befragung nach mit durchschnittlich 25 Prozent unter dem Gesamtdurchschnitt aller Schweizer Beschäftigten (30 Prozent). Vergleicht man die Home-Office-Kapazität der öffentlichen Verwaltungen mit anderen bürobasierten Industrien in der Privatwirtschaft wie beispielsweise Informations- und Kommunikationstechnologie (65 Prozent) oder dem Finanz- und Versicherungswesen (50 Prozent), zeige sich sogar noch eine grössere Diskrepanz. Bei der Bundesverwaltung waren es beispielsweise gut ein Drittel (33 Prozent) der Angestellten, die problemlos von zu Hause aus arbeiten könnten. Bei Kantonen (27 Prozent) und Gemeinden (15 Prozent) waren es weit weniger.

"Der allgemeine Trend zu mehr Home-Office hat sich in der Privatwirtschaft mit der Einführung von flexiblen Arbeitsplatzmodellen schon über die letzten Jahre hinweg verstärkt", erklärt dazu Philipp Roth, Leiter Öffentlicher Sektor bei Deloitte Schweiz. "Bei den Behörden und der öffentlichen Verwaltung scheint dieser Trend jedoch noch nicht richtig angekommen zu sein."

Wie die Umfrage weiter offen legte, konnt nur 29 Prozent der befragten Verwaltungsangestellten sofort ohne technische Hindernisse virtuell von zu Hause aus arbeiten. Fast drei Viertel (71 Prozent) kämpften mit Frustration, weil sie auf technische Aufrüstung mehrere Tage oder gar Wochen warten mussten oder diese gar nie erhielten.

"Allerdings darf die schnelle Einführung von einfachen Tools und Plattformen für die virtuelle Zusammenarbeit und den digitalen Austausch nicht auf Kosten der Datensicherheit und des Datenschutzes gehen", betont Roth. "Auch hier gibt es heute Lösungen, die es auch den öffentlichen Behörden ermöglichen, flexible Arbeitsplatzmodelle zu gestalten", meint Roth. Die Verwaltungsangestellten müssten sich jedoch auch weiterbilden. "Im Zeitalter des digitalen Wandels ist die Schulung der Mitarbeitenden und Führungskräfte besonders wichtig. Erst wenn die Verwaltungsangestellten sich mit den bereits bestehenden Technologien auskennen, kann eine sinnvolle digitale Erneuerung weiter vorangetrieben werden", so Roth.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Corona-Krise das Verhältnis vieler Bürgerinnen und Bürger zu digitalen Diensten verändert hat. Ein knappes Drittel (31 Prozent) der Bevölkerung hat aufgrund der Corona-Krise demnach ihre Meinung gegenüber digitalen Diensten positiv geändert. Weniger als jeder Zehnte (9 Prozent) sieht neue digitale Dienste negativ. Bei den übrigen hat die Pandemie keine Veränderung ausgelöst.

"Studien haben gezeigt, dass schon vor der Pandemie eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung bereit für mehr elektronische Dienstleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden war", konstatiert Rolf Brügger, Director for Government & Public Services bei Deloitte Schweiz. "Die aktuelle Krise hat dieses Bedürfnis nochmals vergrössert. Nimmt man das Beispiel der 1,9 Millionen Arbeitnehmenden, die sich für Kurzarbeitsentschädigung registrieren mussten, sieht man, wie viele dieser Dienstleistungen nicht genügend digitalisiert sind. In den Registrierungsprozessen verbargen sich mehrere sogenannte Medienbrüche. Antragsteller konnten deshalb Formulare nicht elektronisch übermitteln, sondern mussten diese auf Papier ausdrucken und per Post an die Behörden schicken", so Brügger.

Die befragten Verwaltungsangestellten sehen als derzeit bestehenden Digitalisierungshürden die rechtlichen Rahmenbedingungen (37 Prozent), Hard- und Software (30 Prozent) sowie die physische Infrastruktur (14 Prozent). "Die Schaffung entsprechender rechtlichen Grundlagen sind wichtig – z. B. bei der elektronischen Unterschrift", betont Brügger. "Gleichzeitig hat die Corona-Krise gezeigt, dass es möglich ist, Veränderungen sehr schnell umzusetzen. Es gilt jetzt, dieses Momentum zu nutzen und nachhaltig in die Digitalisierung zu investieren."

Schneller als gesetzliche Rahmenbedingungen umzusetzen, sei die Anschaffung von mehr Hardware und die flächendeckende Ausstattung der Mitarbeitenden mit Laptops. Das sei allerdings mit hohen Kosten verbunden. "Kurzfristig ist die Konzentration auf Prozesse und deren Vereinfachung wichtig. Dafür bedarf es keiner langjährigen Entwicklung völlig neuer IT-Systeme: neue elektronische Formulare ohne Papierausdruck und Postversand und wenige smarte neue Software-Tools könnten die Anzahl der vorhandenen Medienbrüche im Prozess erheblich reduzieren. Dafür muss man keine neue IT-Landschaft bauen, keine Hardware kaufen und keine Gesetze ändern", konstatiert Brügger abschliessend.

Grafik: Deloitte Schweiz
Grafik: Deloitte Schweiz