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Über zehn Millionen Dollar bezahlten Google und der amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin für einen Quantenrechner, von dem man nicht weiss, was er kann. Wie sich solche Geräte richtig testen lassen, hat ein Team unter der Leitung von ETH-Professor Matthias Troyer untersucht und dabei für viel Wirbel gesorgt. Barbara Vonarburg von ETH-News hat mit dem Wisschenschaftler das nachfolgende Gespräch zum Thema geführt.

Der Vorabdruck der Arbeit von Matthias Troyer und seinen Mitautoren auf dem Dokumentenserver arXiv wurde in Fachkreisen intensiv diskutiert, machte in der Presse Schlagzeilen und stiess bei der kanadischen Firma D-Wave auf heftige Kritik, Monate bevor das Wissenschaftsmagazin "Science" das Paper jetzt online veröffentlicht. Die internationale Forschergruppe hat den von Google bei D-Wave gekauften Quantenrechner getestet und festgestellt, dass er nicht schneller ist als ein herkömmlicher Computer.

Herr Troyer, die Firma D-Wave wirft Ihnen vor, Sie hätten die falschen Tests ausgeführt. Eine berechtigte Kritik?

Es waren dieselben Tests, welche die Firma selbst in der Vergangenheit gemacht hat, um zu zeigen, dass ihre Maschine viel besser ist als ein klassischer Computer. Wir haben Testprobleme ausgewählt, die perfekt zur Hardware der Maschine passen. Dabei haben wir keinen sogenannten «Speedup» gesehen. Das kann allerdings auch daran liegen, dass bei diesen Tests ein Quantengerät gar nicht besser ist.

D-Wave behauptet, ihre Maschine sei für schwierigere Anwendungen gebaut. Haben Sie dem Quantengerät zu einfache Aufgaben gestellt?

Wir wählten schwierige, aber zufällige Testprobleme aus, die nicht direkt aus Anwendungen stammen. Denn die Maschine kann zurzeit gar keine schwierigen Anwendungsprobleme lösen. Das hat mit ihrer Grösse und der Kopplung der so genannten Quantenbits zu tun, aus denen das Gerät aufgebaut ist. Die 512 Quantenbits in der getesteten Maschine sind jeweils nur an diejenigen Quantenbits gekoppelt, die in der Nähe liegen. Für die meisten Anwendungsprobleme braucht man aber viel mehr Quantenbits sowie idealerweise auch Kopplungen zwischen beliebigen Quantenbits. Der Ball liegt nun bei der Firma D-Wave. Wenn sie behauptet, wir hätten die falschen Tests gemacht, soll sie zeigen, dass die Maschine schwierige Probleme tatsächlich besser lösen kann als ein klassischer Computer. Unsere Arbeit zeigt, wie man solche Tests durchführen muss, um verlässliche Aussagen zu machen.

Warum geben Firmen wie Lockheed Martin und Google über zehn Millionen Dollar aus für ein Gerät, von dem man nicht weiss, ob es einen Vorteil bringt?

Das ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Manche Unternehmen geben pro Tag viele Millionen Dollar aus, um Optimierungsprobleme zu lösen. Auf solche Fragestellungen trifft man beispielsweise beim Planen einer Flugroute oder bei der Verbesserung eines Portfolios. Genau dafür wurde D-Wave gebaut. Die Maschine hat eventuell das Potential, diese Art von Problemen schneller zu lösen als ein herkömmlicher Computer. Man kann das vergleichen mit einer Berglandschaft, in der man das tiefste Tal finden will. Wenn man dies mit einer klassischen Maschine macht, muss man über die Berge klettern, um ein neues Tal zu finden. Mit einem Quantengerät kann man den Berg untertunneln. Die Frage ist, ob das Untertunneln schneller geht als das Klettern. Wenn die Berge schmal und hoch sind, kann es helfen. Allerdings weiss niemand, wie diese Landschaft bei echten Anwendungsproblemen aussieht.

Würden Sie in D-Wave investieren?

Wenn ich ein Vertreter einer grossen Firma wäre, die sehr viele Optimierungsprobleme zu lösen hat, würde ich sagen: Man kann diese Hochrisiko-Investition machen. Doch noch weiss niemand, ob sich das auszahlt, denn es gibt noch einige Hürden zu nehmen.

Die Herstellerfirma preist ihre Maschine als den weltweit ersten käuflichen Quantencomputer an. Kritiker hielten dies anfänglich für eine unsinnige Behauptung. Hat die Stimmung inzwischen gedreht?

Am Anfang waren die Experten skeptisch. Jetzt ist die Frage nicht mehr, ob das Humbug ist oder nicht. Die Tests bei Lockheed Martin und Google haben gezeigt, dass die Maschinen funktionieren und dabei auch Quantenmechanik einsetzen. Das ist eine Leistung. Aber kann die Quantenmechanik bei der Lösung von Optimierungsproblemen tatsächlich helfen? Das ist jetzt die spannende, offene Frage.

Kann man D-Wave also wirklich als Quantencomputer bezeichnen?

Es ist eher ein Physikexperiment, ein Prototyp, der spezielle Probleme mit etwas Quantenmechanik löst. Das Gerät ist kein universeller Quantencomputer, der alles kann, aber als Spezialgerät kann man es Quantencomputer nennen – so wie beispielsweise die Steuerungen für ein Auto, einen Toaster oder Kühlschrank Computer sind, die nur ein spezifisches Problem lösen.

Warum befassen Sie sich mit D-Wave?

Diese Maschine existiert und niemand weiss, was sie macht und was diese Technologie kann. Anstatt zu spekulieren, ob sie funktioniert, kann man sie testen. Allerdings ist dies nicht einfach. Unser Paper zeigt, wie man korrekt und sauber testen kann, ob ein Quantengerät tatsächlich besser abschneidet. Wir geben an, worauf geachtet werden muss und wo Fallen versteckt sein könnten. So ist beispielsweise D-Wave eine analoge Maschine. Das bedingt, dass man für grössere Probleme auch mehr Hardware, also mehr Quantenbits benötigt. Werden zwei unterschiedliche Geräte verglichen, muss auch deren Hardware vergleichbar gross sein. Einem klassischen Computer muss man für ein grösseres Problem daher auch mehr Hardware zugestehen.

Mit D-Wave hat eine Privatfirma den ersten Quantencomputer auf den Markt gebracht. Warum haben dies die Wissenschaftler, die seit langem in staatlich finanzierten Forschungslabors auf diesem Gebiet arbeiten, bisher nicht geschafft?

Um diese Maschine zu bauen, brauchte die Firma mehr als 100 Millionen Dollar. Dieses Geld kann eine akademische Forschungsgruppe nicht auftreiben. Wenn wir Forschungsanträge schreiben, müssen wir Projekte haben, bei denen sich der Erfolg besser abschätzen lässt, die nicht mit einem solch hohen Risiko behaftet sind. D-Wave baute dieses Gerät, obwohl der Ausgang des Projekts ungewiss ist. Als Forscher würde man das nicht riskieren. Aber falls es klappt, ist die Konsequenz enorm. Das wäre ein Riesendurchbruch.

ZUR PERSON
Matthias Troyer ist seit 2005 ordentlicher Professor für Computational Physics am Institut für Theoretische Physik der ETH Zürich. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Entwicklung neuer Simulationsalgorithmen für Quantensysteme und auf die numerische Simulation von Quantenphasenübergängen, stark korrelierter fermionischer Systeme, ultrakalter atomarer Gase und Quantencomputer.

Literaturhinweis
T.F. Rønnow, M. Troyer, Z. Wang, J. Job, S. Boixo, S.V. Isakov, D. Wecker, J.M. Martinis: Defining and detecting quantum speedup, Science, Online-Publikation vom 20. Juni 2014, doi: 10.1126/science.1252319

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Professor Matthias Troyer löste mit seiner Untersuchung des Quantenrechners D-Wave ein weltweites Echo aus. (Bild: ETH Zürich)