Viel zu selten: Frau in der Forschung (Bild: CSEM)

Das auf Mikro- und Nanotechnologie, Mikroelektronik, Systems Engineering, Photovoltaik und Informatik- und Kommunikationstechnologien fokussierte Schweizer Forschungs- und Entwicklungszentrum CSEM zieht grundsätzlich eine gute 2018er Bilanz. Die grösste Herausforderung bleibe aber weiterhin, weibliche Mitarbeitende zu finden. Auch nach jahrelangem Engagement dafür, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern, betrage der Frauenanteil am CSEM bloss 15 Prozent, heisst es.

Äusserst gefragte Technologien, immer mehr Mandate aus der Industrie und ein breitgefächertes Portfolio – auf dem Papier ist beim CSEM alles im grünen Bereich. Dies zeigt die Bilanz des Geschäftsjahres, die das Unternehmen anlässlich seiner Generalversammlung zieht. Der Ertrag aus Industriemandaten hat demnach um über 8 Prozent zugenommen. Seinem Status als nichtgewinnorientiertes Unternehmen entsprechend, hat das CSEM laut Mitteilung ein Ergebnis nahe des Break-Even erreicht.

Geschlechtergleichheit im Jahr 2150?

Alle Anzeichen stünden auf Erfolg, wären da nicht die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung, insbesondere von Frauen, so das CSEM. So such das CSEM Talente, die der Schweizer Industrie zu mehr Innovation verhelfen sollen. 49 neue Mitarbeitende hat das CSEM 2018 demnach eingestellt, um der grossen Nachfrage seitens der Wirtschaft nachzukommen. Darunter seien gerade einmal acht Frauen. Damit beträgt der Frauenanteil im Bereich Forschung und Entwicklung nur 15 Prozent. Im Jahr 2000 waren es sogar erst 9 Prozent. Gehe es in diesem Tempo weiter, werde es bis 2150 dauern, bis Geschlechtergleichheit erreicht sei.

Erstes Unternehmen mit "Equal-Salary"-Zertifizierung

Das CSEM hat jedoch schon früh Massnahmen ergriffen, um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen und bei Frauen das Interesse für technische Berufe zu fördern. 2003 eröffnete das Unternehmen die erste betriebsinterne Kinderkrippe im Kanton Neuenburg. Vier Jahre später erhielt das CSEM als erstes Schweizer Unternehmen die "Equal-Salary"-Zertifizierung. Dass im Jahr 2019 die Geschlechterdurchmischung noch nicht weiter fortgeschritten ist, beschäftige das Unternehmen sehr stark und es werde eifrig darüber nachgedacht, wie man mehr Ingenieurinnen für sich gewinnen könnte.

Eine digitale und durchmischte Gesellschaft

Es gehe nicht nur darum, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Dafür zu sorgen, dass Frauen in technischen Berufen auf allen Stufen vertreten sind, sei auch eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung, so das CSEM im Communiqué. "Frauen müssen sich unbedingt an der Gestaltung der Digitalisierung beteiligen. Ansonsten bleiben sie bei neuen Technologien auf der Strecke," warnt etwa Andrea Dunbar, die beim CSEM den Bereich "Embedded vision systems" leitet. Als Beispiel nennt sie die medizinische Forschung, die lange Zeit eine reine Männerdomäne war. "Das Resultat davon waren Medikamente, die vor allem an Männern getestet wurden und bei Frauen teilweise weniger wirksam waren."

Iran als Vorbild

Um seine Mission als Brücke zwischen Forschung und Industrie weiterzuführen, rekrutiert das CSEM auch oft im Ausland. Dabei habe es festgestellt, dass Frauen andernorts mehr Interesse an der Technik hätten. "Vor einigen Jahren gehörte ich der Delegation des damaligen Bundespräsidenten bei einem Besuch im Iran an," erzählt Mario El-Khoury, CEO des CSEM. "Bei der Besichtigung einer prestigeträchtigen technischen Universität beindruckte es mich sehr, in den Laboren auf unzählige Forscherinnen zu treffen." Und er fügt an: "Schulen müssen unbedingt noch mehr dafür tun, um Mädchen für technische Berufe zu begeistern. In der Kindheit und der Jugend werden die Weichen für die Berufswahl gestellt."

Das CSEM nun wolle weiterhin Massnahmen ergreifen, um das Interesse von Frauen an der Technik zu fördern, zum Beispiel mit Sensibilisierungsprogrammen wie Lyva Tech. Ziel sei es, aufzuzeigen, dass Technik keine reine Männerdomäne sei und dadurch dafür zu sorgen, dass Geschlechtergleichheit schon lange vor 2150 Realität werde.

Das CSEM 2018
2018 hat das CSEM gemäss Communiqué rund 200 Unternehmen auf dem Weg zur Innovation begleitet – in den meisten Fällen im Bereich Digitalisierung. Der Ertrag aus Industriepartnerschaften hat demnach um 8,2 Prozent zugenommen. Eine Senkung von Bundesbeiträgen führte zu einem leichten Rückgang des Gesamtertrags, der sich auf CHF 82,1 Mio. beläuft.

Um der Nachfrage aus der Industrie gerecht zu werden, hat das CSEM sein Personal aufgestockt. Dadurch nahmen die Personalausgaben um rund 3 Prozent zu. Am Jahresende betrug die Anzahl Mitarbeitender an den fünf Standorten in der Schweiz 470 Personen. Das CSEM, ein nichtgewinnorientiertes Unternehmen, hat einen leichten Ertragsüberschuss generiert.

Um die Schweizer KMU mehr für die Digitalisierung zu begeistern, hat das CSEM zum ersten Mal die CSEM Digital Journey durchgeführt. Bei diesem Wettbewerb, der 2019 erneut stattfindet, winkt dem Gewinnerunternehmen technologische Unterstützung des CSEM. 2018 war ausserdem gekrönt vom zweiten Sieg in Serie des Unternehmens AVA beim Schweizer Startup-Wettbewerb. Das CSEM steht dem Zürcher Startup mit seinem Fachwissen zum Monitoring von Körperparametern zur Seite. Die Zusammenarbeit werde weiterverfolgt.

Die Forscherinnen und Forscher des CSEM arbeiten ausserdem aktiv an neuen Technologien, die Schweizer Unternehmen in Zukunft zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen sollen. 38 neue Patente sind 2018 zu den 200 Patenten der 35-jährigen Unternehmensgeschichte hinzugekommen. Das CSEM hat zudem die Koordination des europäischen Projekts Macqsimal übernommen, das die Europäische Union lanciert hat, um Entwicklungen im Bereich der Quantentechnologie zu beschleunigen.

Die Entwicklung des Frauenanteils in der Forschung beim CSEM (Tabelle: CSEM)
Die Entwicklung des Frauenanteils in der Forschung beim CSEM (Tabelle: CSEM)