Symbolbild: Pixabay/ Piro 4D

Die IG eHealth, die sich selbst als einzigen Fachverband mit Expertise in den Bereichen Gesundheitspolitik, Organisation, ICT, Semantik und Technik definiert, kritisiert das schweizerische Parlament in einem offenen Brief, da es die Motionen der staatspolitischen Kommissionen "Gesetzliche Grundlagen zur Einführung der Corona-Warn-App (Corona-Proximity- Tracing-App)" angenommen habe. In der Sommersession sei nun in beiden Räten die "Botschaft zu einer dringlichen Änderung des Epidemiengesetzes angesichts der Covid-19-Krise (Proximity-Tracing- System)" traktandiert. Nach Meinung der IG eHealth hätte es genügt, eine Bundesratsverordnung zu erlassen. Dann wäre alles viel schneller gegangen.

Die IG eHealth fordert im offenen Brief den Bundesrat und das Parlament auf, die hier nachfolgenden Grundsätze zu befolgen, damit die Bundesverfassung und geltende rechtliche Grundlagen eingehalten würden und die Tracing-App zeitnah in Verkehr gebracht werden könne:
1. Die Motionen beider staatspolitischer Kommissionen sprechen im eingereichten Text explizit von "technischen Lösungen" im Plural. Es verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit, wenn der Bundesrat per Gesetzesrevision eine Lösung vorschlägt, die einzig eine App der ETH/EPFL erfüllen kann. Damit werden alle Investitionen vernichtet, welche App-Entwickler bereits für ein Angebot in der Schweiz getätigt haben.
2. Um Zeit zu gewinnen, sollen die Grundsätze und die Detailbestimmungen auf Gesetzesstufe geregelt werden. Auf Ausführungsbestimmungen soll verzichtet werden.
3. Das BAG erteilt App-Anbietern die Erlaubnis, die App online zu stellen, sofern alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Der Bundesrat setzt ein Prüfgremium ein, das zuhanden des BAG innert Tagen Empfehlungen zur Inverkehrbringung ausarbeitet.
4. Für alle Apps gelten die bestehenden Gesetze und Datenschutzvorschriften. Die Empfehlungen von eHealthSuisse, dem Koordinationsorgan von Bund und Kantonen, bezüglich mobile Health gelangen zur Anwendung, damit die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden: So wird z.B. eine Tracing-App mit diagnostischer (oder therapeutischer) Zweckbestimmung als Medizinprodukt qualifiziert und muss ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäss Heilmittelgesetz und Medizinprodukteverordnung durchlaufen, bevor sie in Verkehr gebracht werden kann. Ob die vorgeschlagene App als Medizinprodukt zu qualifizieren ist, können wir ohne zusätzliche Angaben nicht beurteilen. 5. Falls auf ein fakultatives Referendum nicht verzichtet werden kann, so soll das Gesetz sofort nach Verabschiedung und während der Referendumsphase in Kraft gesetzt werden können.

Darüber hinaus fordert die IG eHealth den Bundesrat und das Parlament auf, im Rahmen der Gesetzesrevision zwei Punkte zu klären:
1. Die zentrale Frage ist, wie die App kalibriert wird und wie mit Fehlern (falsch positive oder falsch negative Meldungen/Alarme) bezüglich des Ansteckungsrisikos umgegangen wird? Der App-Anbieter muss die Grenzen der App gegenüber dem Benutzer darlegen und auf allfällige falsch positive oder falsch negative Meldungen/Alarme hinweisen, so dass der Benutzer die ihm angezeigten Meldungen/Alarme qualifizieren kann.
2. Die rechtlichen Anforderungen, wie allenfalls eine Qualifizierung als Medizinprodukt, sofern die App diagnostische Funktionen anbietet, muss auch die Corona-Proximity-App der ETH/EPFL einhalten, bevor diese der Öffentlichkeit verteilt werden kann. Diese Tatsache taucht in der parlamentarischen Debatte aus uns nicht bekannten Gründen nicht auf. Sie sind aber sehr wichtig, da sich die Hersteller sonst unnötig angreifbar machen und so das Projekt verzögert oder sogar zum Stillstand gebracht werden könnte.



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