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Das Schweizerische Bundesgericht hat eine Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Massenüberwachung durch Kabelaufklärung gutgeheissen. Damit weist es das Bundesverwaltungsgericht an, zu prüfen, ob die Funk- und Kabelaufklärung die Grundrechte der Beschwerdeführer verletze und, falls ja, mit welchen Rechtsfolgen.

Die Kabelaufklärung ist ein Teil der anlasslosen und verdachtsunabhängigen Massenüberwachung durch den schweizerischen Geheimdienst. Mit der Kabelaufklärung wird der Datenverkehr zwischen der Schweiz und dem Rest der Welt erfasst und überwacht. Die Kabelaufklärung wurde mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG) in der Schweiz legalisiert.

Die Digitale Gesellschaft aber hatte Beschwerde am Bundesverwaltungsgericht gegen die anlasslose und verdachtsunabhängige Massenüberwachung durch den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erhoben. Jedoch hatte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführern der Digitalen Gesellschaft damals das Recht auf Beschwerde verweigert. Es hatte seinen Entscheid mit Verweis auf das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht begründet. Damit, so das Bundesverwaltungsgericht, bestünde die Möglichkeit, die Verletzung von Grundrechten durch den Geheimdienst zu rügen und damit eine "rechtmässige" Überwachung gerichtlich durchzusetzen.

Das Bundesgericht hat nun dieser Darstellung widersprochen. Mit Urteil 1C_337/2019 vom 1. Dezember 2020 wurde die Beschwerde der Digitalen Gesellschaft vollumfänglich gutgeheissen und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Das Bundesgericht anerkennt damit im Urteil, dass die Kabelaufklärung eine Form der anlasslosen Massenüberwachung darstellt, von der jede Person potenziell betroffen ist. Es anerkennt gemäss einem von der Digitalen Gesellschaft verschickten Communiqué, dass solche Massenüberwachung in die Grundrechte sehr vieler Personen eingreife und dass den Betroffenen ein wirksamer Rechtsschutz zur Verfügung stehen müsse. Das Bundesgericht halte in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, dass bereits das elektronische Rastern von Daten einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle, die durch die Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt seien. Das Gleiche gelte für die Funkaufklärung, womit Kommunikation per Funk überwacht wird.

Die Massnahmen, die mit der Kabelaufklärung verbunden seien, gelten als geheim und würden den Betroffenen auch nachträglich nicht bekannt gegeben. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ermögliche keinen wirksamen Rechtsschutz gegen solche Massnahmen im Einzelfall. "Unter diesen Umständen ist es den Beschwerdeführenden nicht möglich, konkrete, sie betreffende Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung anzufechten. Sie sind deshalb darauf angewiesen, das ‹System› der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz überprüfen zu lassen", hält das Bundesgericht fest.

Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, über das Urteil: "Das höchste schweizerische Gericht stimmt uns in allen Punkten zu. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht prüfen, ob die Funk- und Kabelaufklärung unsere Grundrechte verletzt. Wie das Bundesgericht einräumt, kann allenfalls das einzige Mittel, um einen wirksamen Grundrechtsschutz für die Beschwerdeführenden sicherzustellen, die Einstellung der Funk- und Kabelaufklärung sein." Das Bundesverwaltungsgericht müsse nun prüfen, ob das "System" der Funk- und Kabelaufklärung die Grundrechte der Betroffenen verletze und – um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen – in letzter Konsequenz einzustellen sei.

Das Verfahren ist gemäss Communiqué Teil der strategischen Klagen der Digitalen Gesellschaft für Freiheitsrechte in einer digitalen Welt. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg ist bereits die Beschwerde gegen die Massenüberwachung mittels Vorratsdatenspeicherung hängig.

Bei den Beschwerdeführenden der Digitalen Gesellschaft handelt es sich namentlich um Serena Tinari (Recherche-Journalistin), Noëmi Landolt (Journalistin und Buchautorin "Mission Mittelmeer"), Marcel Bosonnet (Rechtsanwalt von Edward Snowden), Andre Meister (Netzpolitik.org), Heiner Busch (Solidarité sans frontières) sowie Norbert Bollow und Erik Schönenberger (Digitale Gesellschaft).