Symbolbild: Pixabay/Emerson23Work

Ein Grossteil der weltweiten KI-Investitionen fliesst in den Finanzsektor. 2023 wurden in der Branche 87 Milliarden US-Dollar in KI investiert – deutlich mehr als im Gesundheitswesen (76 Milliarden) oder in der Telekommunikations- und Medienbranche (75 Milliarden). Dies belegt eine Marktanalyse von Sopra Steria Next, der Managementberatung von Sopra Steria. Vor allem in zwei Anwendungsfeldern wird KI im Finanzsektor demnach verstärkt eingesetzt: "AI for Processes" und "AI for Humans". Tendenz steigend.

Allein der Anteil der KI-Investitionen in generative KI (GenAI) ist gemäss der Studie branchenübergreifend von neun Prozent im Jahr 2022 auf 51 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Banken und Versicherungen sind dabei Grossabnehmer der Technologie, denn die Automatisierung von Prozessen und die Unterstützung der Mitarbeitenden in Vertrieb und Kundenmanagement erfordert deren Einsatz. Treiber für den starken KI-Einsatz bei Finanzdienstleistern sind sowohl Effizienz- als auch Wachstumspotenziale, vielfältige Anwendungsfelder sowie die guten Voraussetzungen durch ein grosses FinTech- oder InsurTech-Ökosystem, so die Sopra-Steria-Untersuchung.

"Viele Banken haben bereits in KI-nahe Technologie wie Intelligent Robotic Process Automation (IPA) und erste Chatbot-Generationen investiert, um Kosten im Backoffice zu senken und ihre Kundenservices zu verbessern. Zudem besteht eine starke Vernetzung mit Fintechs, die inzwischen viele sehr reife KI-Lösungen bieten. Finanzinstitute besitzen durch diese Kooperationen wichtige Grundlagen für den Aufbau digitaler Kompetenzen sowie Verbesserungen in Data Science. Davon profitieren die Banken bei Investitionen in GenAI-Anwendungen“, sagt Matthias Frerichs, Experte für Digital Banking bei Sopra Steria.

Ähnlich sieht es in der Versicherungsbranche aus. Auch Versicherer setzen laut Studie stark auf KI-gestützte Lösungen, und die bereits erzielten Fortschritte bei der digitalen Transformation helfen demnach bei der Integration. Neben der durch KI gestützten Prozessautomatisierung, die insbesondere im Versicherungsbetrieb und Schadenmanagement eingesetzt werde, sorge zunehmend der Einsatz von GenAI im Vertrieb und in der Kundenberatung für starkes Interesse, heisst es.

"Versicherer und ihre Vermittler müssen stark priorisieren. Der Grund: Es fehlt an Personal und Zeit sowohl im eigentlichen Vertrieb als auch in der Vertriebsunterstützung. GenAI-Lösungen sind so weit entwickelt, dass sie in die Rolle einer vielseitig einsetzbaren KI-Assistenz schlüpfen können. Aus Chatbots werden somit AI-Agents, die den Namen auch verdienen", erläutert Thorsten Voith von Voithenberg, Leiter des Bereichs Insurance bei Sopra Steria Next. Der Managementberater schätzt, dass Versicherern und Vermittlern dadurch pro Jahr bis zu 50 Tage mehr Zeit für den "echten Vertrieb" zur Verfügung stehen könnten, die Mitarbeitende derzeit für das Heraussuchen von Informationen, die Gesprächsvorbereitung oder das Schreiben von Zusammenfassungen und die Dokumentation benötigten.

Wie der Untersuchung weiters zu entnehmen ist, werden bis 2028 mehr als zehn Prozent der IT-Budgets von Unternehmen weltweit in KI-Lösungen fliessen. Bei Finanzdienstleistern werden sie demzufolge sowohl die Prozessautomatisierung als auch die menschliche Interaktion weiter unterstützen. Das Anwendungspotenzial sei längst nicht ausgeschöpft und das Spielfeld für Tech-Lösungen, die der Branche schnell helfen, sei gross.

Die Studie zählt exemplarisch 22 mögliche Anwendungen auf. Ein Beispiel ist der Einsatz synthetischer Daten. Sie verbessern die Genauigkeit von Kredit- oder Risikobewertungsmodellen und können zur Erstellung neuer Datensätze unter Wahrung der Privatsphäre verwendet werden. Synthetische Daten helfen damit bei Entscheidungen in Kundensegmenten, für die nur begrenzte Daten zur Verfügung stehen. Banken erweitern damit ihre geschäftlichen Möglichkeiten bei der Kreditvergabe.

Synthetische Daten erhöhen auch die Stichprobengrösse für eine bessere Klassifizierung und zur Verringerung fehlerhafter Ergebnisse bei der Betrugserkennung. KI-Lösungen, die auf Sprachmodellen (Large Language Models) basieren, helfen zudem dabei, Betrugsregeln in Echtzeit zu erstellen, markierte Transaktionen zu erklären und Kontoübernahmen zu identifizieren, heisst es.

Finanzdienstleister können also dank guter Bedingungen technologisch aus dem Vollen schöpfen. Dieser Vorteil berge allerdings das Risiko, dass sich Unternehmen für die falsche Technologie oder Anwendung entscheiden oder Projekte falsch priorisieren. "Je umfangreicher das KI-Angebot, desto wichtiger sind fundierte Investitionsentscheidungen. Für die Finanzdienstleister kommt es darauf an, KI-Lösungen nach einer Phase der Pilotprojekte in die Breite zu tragen, zu skalieren, und dafür benötigen sie eine Strategie", betont Managementberater Thorsten Voith von Voithenberg.

Die Studie "Navigating the AI Era" basiert den Angaben nach auf einer mehrstufigen Analyse, die sowohl quantitative als auch qualitative Datenquellen nutze. Ziel sei es, den aktuellen Stand und die Zukunftsaussichten des KI-Marktes sowie konkrete Empfehlungen für Unternehmen zu erarbeiten, die KI erfolgreich skalieren wollen. Die Analyse stützt sich laut Sopra Steria auf eine breite Palette von Marktforschungsberichten und Prognosen führender Institute. Diese wurden ergänzt durch die Erkenntnisse renommierter Beratungsunternehmen und IT-Spezialisten. Zusätzlich seien Publikationen von Risikokapitalfirmen sowie zahlreiche Erfahrungsberichte von Chief AI Officers und CIOs führender Unternehmen ausgewertet worden.



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