Innerhalb der Kantonsverwaltungen gibt es sehr unterschiedliche Fortschritte bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen, wie aus einer soeben veröffentlichten Forschungsstudie von Ategra Research hervorgeht. Dieser zufolge nutzt kaum ein Kanton derzeit einen produktübergreifenden Datenaustausch mittels normierter eCH-Schnittstelle. Das Automatisierungs-Potential mittels KI-Lösungen und Machine Learning sei vielen Verantwortlichen unbekannt. Für die Studie wurden mehr als 100 Personen aus allen Deutschschweizer Kantonsverwaltungen befragt.

Nur ein Fünftel der in der Studie befragten Kantone hat sich gemäss der Untersuchung entschieden, die Geschäftskontrolle flächendeckend bei allen Direktionen bzw. Departementen und Amtsstellen zu digitalisieren. Im Arbeitsalltag der öffentlichen Verwaltung sei der übergreifende Aspekt der Geschäftskontrolle (GeKo) beziehungsweise Geschäftsverwaltung (GeVer) sehr relevant. Solche Geschäfte könnten beispielsweise Anträge, Aufträge von anderen Stellen, Anfragen von Bürgern oder Journalisten, Gesetzesvorlagen, Beschwerden oder Rekurse und auch regelmässig wiederkehrende, periodische Aufgaben sein. Auf Amts-Ebene sei der Digitalisierungsgrad innerhalb der Kantone sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das Spektrum reiche von volldigitalisierten Prozessen inklusive Posteingangs-Scanning bis hin zur individuellen Geschäftsfallbearbeitung mit einer Mischform aus Papier und Office-Anwendung wie beispielsweise MS Excel oder MS Outlook.

Gebremst wird die Digitalisierung laut Altegra-Report aufgrund der Erfahrungen mit den eingesetzten Anwendungen. Die vier Software-Produkte mit dem grössten Marktanteil werden demnach von den Anwendern teils sehr negativ bewertet. Die Kritik konzentriere sich bei allen auf die mangelnde Benutzerfreundlichkeit, aber auch Kosten und Performance seien ein Thema. Aus technologischer Sicht handle es sich bei den vier Produkten um Client-Server-Lösungen. Da das Architekturmodell "Software as a Service" weiter an Popularität gewinne, dürften in den nächsten Jahren einige dieser Softwarelösungen aufgrund ihrer veralteten Architektur verdrängt werden.

Die Studie zeigt zudem, dass selbst bei denjenigen Kantonen, welche voll auf eine GeKo/GeVer-Anwendungssoftware setzen, in der Regel nur die internen Weiterleitungen vollautomatisch funktionieren. Extern laufe immer noch alles über E-Mail oder auf dem Papierweg. Die Studienteilnehmer berichten demnach, dass nur diejenigen Zugriff auf die Dossiers und Dokumente haben, welche mit demselben GeKo/GeVer-Produkt arbeiten. Bisher nutze kaum ein Kanton einen produktübergreifenden Datenaustausch, weder innerhalb des Kantons mittels eCH-Schnittstelle zu GeKo/GeVer-Produkten anderer Hersteller noch zu externen Partnern. Die heutigen Möglichkeiten eines systemübergreifenden Prozessablaufs zwischen unterschiedlichen GeKo/GeVer-Produkten oder zu kantonsexternen Partnerorganisationen (Bund, Gemeinden, andere Kantone, Ingenieurbüros, Verbände, etc.) seien nur ganz wenigen bekannt. Gerade auch in der öffentlichen Verwaltung sollten aufgrund möglicher Kosteneinsparungen, höherer Flexibilität, besserem Schutz vor Ausfällen, sowie geringerem Installations- und Aktualisierungsaufwand immer mehr Cloud-Angebote genutzt werden, meinen die Studienautoren.

Binnen weniger Jahre habe sich der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) mit Methoden des Machine Learnings rasant entwickelt. Entsprechende Anwendungslösungen auch in der Verwaltung seien inzwischen marktreif. Besonders interessant in Zeiten knapper Kantonskassen sei die Tatsache, dass Machine Learning-Lösungen kostengünstig umsetzbar sein könnten. Die vorliegende Befragung habe gezeigt, dass die Chancen und Einsatzmöglichkeiten bei den kantonalen Verwaltungen häufig noch unbekannt seien. Nur wenigen befragten Personen sei bewusst, dass der eigene Kanton bereits ein Pilotprojekt in Planung oder sogar in Umsetzung habe, wie das in 15 Prozent der Kantone tatsächlich der Fall sei.
Zur vollständigen Studie hier!!

Methodik: Für diese Studie hat "Ategra research" gemäss eigener Angaben mehr als 100 Personen des oberen Kaders der Verwaltungseinheiten von 19 Deutschschweizer Kantonsverwaltungen zum Thema Geschäftskontrolle und Geschäftsverwaltung kontaktiert und über 65 davon ausführlicher befragt. Es wurden demnach sowohl Verantwortliche auf Stufe Departement/Direktion, Staatskanzlei sowie auf Stufe Amtsstelle kontaktiert. Nicht berücksichtigt wurden Gerichte und kantonsnahe Betriebe.



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