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Nach seinem Tod vor fünf Jahren hinterliess Steve Jobs, der am 24. Februar 1955 in San Francisco zur Welt kam, seinen Nachfolgern bei Apple ein schwieriges Erbe. Einerseits war der Konzern in den 15 Jahren nach seiner Rückkehr dank iPod und iPhone vom Pleitekandidaten zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Zum anderen übernahmen Tim Cook und Co ein Unternehmen, das völlig auf den Mitgründer und Retter Jobs personalisiert war.

Jobs bestimmte die Strategie, er feilte mit Designchef Jony Ive am Aussehen der Geräte, er traf viele grosse und kleine Entscheidungen bis hin zum Farbton der App-Symbole. Und dann begann das Sterben des damals 55-Jährigen. Bereits im August 2011 gab Jobs den Posten des Firmenchefs an Cook ab. Aber zugleich versprach Jobs noch, an der Spitze des Verwaltungsrates weiter für Apple da zu sein. "Ich war überzeugt, er erholt sich auch diesmal", sagte Cook vor kurzem in einem Interview der "Washington Post". "So, wie er es immer getan hat." Gegen den Krebs allerdings kam Mr. Apple nicht mehr an, er starb am 5. Oktober 2011, einen Tag nachdem der sichtlich mitgenommene Tim Cook das iPhone 4S vorgestellt hatte.

Seit Steve Jobs nicht mehr ist, reissen die Debatten darüber nicht ab, wie innovativ Apple ohne seinen grossen Protagonisten sein könne. Denn schliesslich gilt er als die treibende Kraft hinter allen grossen Erfolgen von Apple: Der erste Macintosh 1984, der iMac 1998, der iPod 2001, das iPhone 2007 und das iPad 2010. Oracle-Chef Larry Ellison, ein langjähriger Freund und Vertrauter von Jobs, sah eine düstere Zukunft für das Unternehmen: "Wir haben ein Apple ohne Steve Jobs schon gesehen", winkte er in einem Fernsehinterview ab.

Bis zum laufenden Jahr widerlegte allerdings Apple eindrucksvoll die Untergangspropheten stets mit neuen Rekordergebnissen. Besonders gross war der Sprung mit dem iPhone 6, als im Weihnachtsgeschäft 2014 mit der Einführung grösserer Modelle die iPhone-Verkäufe um 46 Prozent auf rund 74,5 Millionen Geräte hochschnellten. Im vergangenen Jahr gelang es in einem abgebremsten Smartphone-Markt gerade noch, diese Marke knapp zu übertreffen. Doch im Verlaufe 2016 sanken die iPhone-Verkäufe erstmals seit der Markteinführung.

Und vom neuen iPhone 7 erwarten Analysten ebenfalls keine Wende, auch wenn sie nach ersten Hinweisen auf das robuste Verbraucher-Interesse zuversichtlicher geworden sind. Apple ging ins dritte Jahr mit einem weitgehend unveränderten iPhone-Design (bis auf die entfernte Klinkenstecker-Buchse für Ohrhörer) - und erntete dafür viel Kritik. Auch deshalb schlägt Cooks Apple der Vorwurf entgegen, der Konzern zehre von den Innovationen der Jobs-Ära. Die Stimmung ist nicht neu. Schon vor drei Jahren murmelte Marketingchef Phil Schiller während der Vorstellung des neuen Mac Pro auf der Bühne "von wegen keine Innovationen mehr, meine Fresse", um zu zeigen, was er von der Kritik hält. Die Hoffnung von Cook, Apple würde mit ihm an der Spitze aus der Schlusslinie der Kritiker kommen, zerschlug sich schnell, wie er in der "Washington Post" einräumte. An der Spitze von Apple zu stehen, sei ein "einsamer Job".

Apple steigt im Weareables-Markt ein

Als einzige neue Produktkategorie betrat der Konzern aus dem kalifornischen Cupertino seit Jobs' Tod das Wearables-Geschäft mit der Computer-Uhr Apple Watch. Sie wurde zwar aus dem Stand die klare Nummer eins in dem noch überschaubaren Markt der Smartwatches - aber die Verkäufe sanken nach Einschätzung der Marktforscher von 3,6 Millionen Uhren zum Start im zweiten Quartal 2015 auf zuletzt um die 1,5 Millionen Geräte pro Vierteljahr. Es gelang also auf Anhieb nicht, den Markt hochzureissen.

Wären das mit Jobs anders gelaufen? Hätte es überhaupt eine Apple-Uhr gegeben? Oder eher einen Fernseher oder etwas ganz anderes? Auf jeden Fall klar ist, dass auch der legendäre Produktvisionär Jobs in seiner Ära etliche Niederlagen einstecken musste. So verpatzte Apple noch unter ihm den Start des Online-Dienstes Mobileme, das Musik-Netzwerk Ping war eine Totgeburt, einige Geräte wie der Lautsprecher Apple Hifi verschwanden schnell wieder. Und auch dem charismatischen Jobs, der in persönlichen Gesprächen bekannte Musikstars für seinen iTunes-Service begeistern konnte, gelang es dann nicht, den Widerstand der amerikanischen Fernsehindustrie gegen einen TV-Service von Apple zu brechen.

Innovationen verlagern sich auf Software

Die Technologie-Branche hat sich seit Jobs' Tod aber auch massiv verändert. Und so liegen die aktuellen Innovationen von Apple weniger im Hardware-Bereich, sondern in Software. Der Konzern investiert in maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, um nicht gegen Google, Amazon und Microsoft ins Hintertreffen zu geraten. Die Siri-Sprachsteuerung ist inzwischen auf allen Geräten verfügbar, die Daten fliessen über die iCloud-Server viel nahtloser von Gerät zu Gerät als früher.

Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg wird inzwischen auch ein vernetzter Lautsprecher getestet, der ähnlich wie die Konkurrenzgeräte Amazon Echo und Google Home eine zentrale Rolle im smarten Zuhause spielen könnte. Und seit Anfang 2015 halten sich hartnäckig Gerüchte über ein Apple-Auto. Doch solange kein Apple Car auf der Strasse läuft, muss Cook sich immer wieder vorhalten lassen, er habe im Gegensatz zu Jobs kein bahnbrechendes neues Produkt vorstellen können.

Zugleich drückte Cook Apple seinen Stempel auf, indem er den Konzern bei Themen wie Umweltschutz, Privatsphäre und Gleichberechtigung öffentlich in Stellung brachte. Die Rechenzentren und Apple Stores nutzen erneuerbare Energien, die Kontrollen der Arbeitsbedingungen bei Zulieferern wurden ausgebaut, Apple legte sich vor Gericht mit dem FBI an als der Konzern sich weigerte, das iPhone eines toten Terroristen in Kalifornien aufzuknacken. "Ich bin der Meinung, dass ein Chef von Apple an der nationalen Debatte zu solchen Fragen teilnehmen sollte", erklärte Cook. Das alles hatte Produktvisionär Jobs zumindest öffentlich nicht unbedingt als Prioritäten erkennen lassen.

Zuletzt musste allerdings Cook beim Versuch, Apple als politisch korrekten Musterschüler zu positionieren, einen herben Rückschlag hinnehmen: Die Forderung der EU-Kommission an Irland, von Apple über 13 Milliarden Euro Steuern nachzufordern, lässt den iPhone-Hersteller in der Öffentlichkeit als Steuersünder erscheinen, obwohl es im Kern nicht um die Frage geht, ob die in Irland angehäuften Milliardengewinne versteuert werden müssen oder nicht, sondern wo, also in Europa oder bei der Rückführung nach Kalifornien in den USA.