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Die Anzahl schweizerischer Fintech-Unternehmen ist im vergangenen Jahr erstmals seit 2015 zurückgegangen. Eine genauere Analyse des Sektors zeigt allerdings: Die bestehenden Firmen sind gewachsen. Die diesjährige Fintech-Studie der Hochschule Luzern gibt Einblicke in den dynamischen Finanztechnologie-Markt.

Die Entwicklung des Schweizer Fintech-Sektors kannte in den letzten Jahren nur eine Richtung: nach oben. Nachdem in der Vergangenheit die Grösse des Sektors, gemessen an der Anzahl aktiver Schweizer Fintech-Unternehmen, Jahr für Jahr zunahm, ist nun für das Jahr 2021 zum ersten Mal ein Rückgang zu verzeichnen, wie die aktuelle Fintech-Studie der Hochschule Luzern zeigt. Per Ende 2021 beheimatete die Schweiz 384 Fintech-Unternehmen, was im Vergleich zum Jahr davor einem Rückgang von 21 Unternehmen entspricht, oder aus relativer Sicht einem Minus von rund 5 Prozent.

Trotz dieser auf den ersten Blick negativen Entwicklung zeigen sich in Bezug auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen auch positive Tendenzen. Beispielsweise ist der Medianwert der Anzahl Mitarbeitenden wie auch jener der Gesamtfinanzierung bei Schweizer Fintech-Unternehmen im letzten Jahr angestiegen. Dies, nachdem diese Kennzahlen im letzten Jahr stagnierten, beziehungsweise sich sogar rückläufig entwickelten. Zudem erreichte die Risikokapitalaktivität im Schweizer Fintech-Sektor im Jahr 2021 ein Rekordniveau, sowohl bei der Anzahl der Finanzierungsrunden als auch beim Volumen.

Im Laufe der Jahre haben immer mehr Schweizer Fintech-Unternehmen auf technologische Neuerungen wie Analytics, künstliche Intelligenz oder Big Data gesetzt. Dies steht im Gegensatz zu anderen Technologien, bei denen die Zahl der Fintech-Unternehmen im letzten Jahr rückläufig war. Die Bedeutung von Analytics-Aktivitäten dürfte laut Untersuchung in Zukunft weiter zunehmen, auch weil das Potenzial der Nutzung von Daten im Finanzsektor zunehmend erkannt, aber noch nicht voll abgeschöpft werde. "Den traditionellen Instituten mangelt es teilweise an entsprechenden Ressourcen und Kompetenzen", sagt dazu Thomas Ankenbrand, Dozent an der Hochschule Luzern und Projektleiter der Fintech-Studie. Fintech-Unternehmen dürften daher auch zukünftig als Zulieferer von entsprechenden Dienstleistungen agieren.

Internationale Strategien zahlen sich aus

Die Tendenz der Fintech-Unternehmen, sich auf B2B-Geschäftsmodelle zu konzentrieren, hat im letzten Jahr gemäss der Studie weiter zugenommen. Neben dem verstärkten Fokus auf Geschäftskunden, wie beispielsweise Banken oder andere Finanzdienstleister, sind Schweizer Fintech-Unternehmen demnach vorwiegend international ausgerichtet. "Der wachstumsschwache Schweizer Heimmarkt ist für wachstumshungrige Fintech-Unternehmen oftmals zu klein", gibt der HSLU-Experte zu bedenken. Der Erfolg einer internationalen Ausrichtung zeigt sich auch in der Kursentwicklung der börsennotierten Fintech-Unternehmen weltweit. Seit 2015 ist deren Performance im Vergleich zu national ausgerichteten Fintech-Unternehmen besser. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die sich auf Geschäftskunden konzentrieren, im Vergleich zu Unternehmen, die (auch) Privatkunden bedienen, wie die HSLU-Untersuchung belegt.

Nachhaltigkeit wird das neue Normal

Die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien bei finanziellen Entscheidungen ist dabei, zur neuen Normalität zu werden, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Im Schweizer Fintech-Sektor haben aktuell relativ wenige Unternehmen einen dedizierten strategischen Nachhaltigkeitsfokus. Die meisten dieser Unternehmen konzentrieren sich auf den Bereich der Vermögensverwaltung und zielen auf alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen (ESG: Environmental, Social, Governance) ab.

Darüber hinaus zeichnet sich auf dem Schweizer Finanzplatz ein Trend in Richtung offener Finanzökosysteme (Stichwort "Open Finance") ab. "Insbesondere im Bereich des Wealth Management bietet Open Finance gute Erfolgschancen", betont Ankenbrand. Die Gründe dafür seien laut den Studienautoren die globale Marktgrösse und der Schweizer Marktanteil. Zudem haben gemäss der in der Studie durchgeführten Umfrage die Schweizer Banken das Potenzial von Finanzökosystemen als zukünftiges Geschäftsmodell bestätigt. "Um dieses Potenzial zu realisieren, ist jedoch ein breites Adoptieren gemeinsamer Standards notwendig, mit der sich die Banken und FinTech- Unternehmen derzeit schwertun, auch wenn entsprechende Initiativen und skalierbare Plattformen in der Schweiz bereits vorhanden und in Betrieb sind", so Ankenbrand weiters.

Interessant zudem auch, dass das Metaverse, welches, einfach ausgedrückt, als Weiterentwicklung des Internets zu einer dreidimensionalen virtuellen Welt beschrieben werden kann, von der Spieleindustrie sowie von Bigtech- und Blockchain-Unternehmen vorangetrieben wird. Auch wenn die Motive und Ziele unterschiedlich seien, zeichne sich eine Stärkung der Eigentums- und Verfügungsrechte an Daten durch dezentrale Strukturen ab. Thomas Ankenbrand: "Die Blockchain-Technologie kann hierbei eine zentrale Rolle spielen. Einen ersten Vorgeschmack darauf konnte der im letzten Jahr beobachtete Hype um Non-Fungible-Token (NFTs) geben."

IFZ FinTech Study 2022:
Die Hochschule Luzern publiziert jedes Jahr die "IFZ Fintech Study". Die Studie bietet bereits zum siebten Mal eine umfassende Übersicht zum Schweizer Fintech-Sektor. Die Forschung wurde durch die Unterstützung von Finnova, Inventx, SIX, Swiss Bankers Prepaid Services, Swisscom und Synpulse ermöglicht.
Die Studie kann man per Mail an ifz@hslu.ch bestellen.