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Gut 40 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz zeigen deutliche bis ausgeprägte Anzeichen von Smartphone-Abhängigkeit (Nomophobie). Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Comparis-Umfrage. Häufige Überprüfungen, um keine Nachrichten zu verpassen, Stressgefühle, wenn das Handy nicht zur Hand ist oder der Akku leer wird, oder gar Isolationsgefühle bei fehlendem Smartphone sind besonders bei den Jungen und in der Romandie verbreitet. Geschlecht, Bildungsniveau oder Einkommen haben keinen signifikanten Einfluss auf Smartphone-Sucht.

"Die allgegenwärtige Verfügbarkeit digitaler Inhalte auf dem Smartphone, verbunden mit ständiger Erreichbarkeit sowie verstärkter Verlagerung alltäglicher Dienste wie Bezahlen, Kommunizieren, ÖV-Abo aufs Handy, führt bei immer mehr Personen zu Stress oder sogar Panikgefühlen, wenn das Gerät einmal nicht in Reichweite ist", konstatiert der Comparis-Digitalexperte Jean-Claude Frick.

Anteilig sind besonders junge Personen im Alter von 16 bis 35 Jahren von Smartphone-Übernutzung betroffen. In dieser Altersklasse fallen laut Comparis 54 Prozent in die Kategorie "deutliche bis ausgeprägte Nomophobie". Nur 14 Prozent können problemlos auf ihr Handy verzichten. Bei den über 55-Jährigen dagegen sind 38 Prozent Smartphone-Sucht-resistent. "Das Smartphone ist bei Jungen das zentrale digitale Gadget, das für vielfältigste Aufgaben genutzt wird. Die Abhängigkeit vom Handy, verbunden mit der Angst, etwas zu verpassen, verstärkt diese Symptome bei jungen Menschen", hält Frick dazu fest.

Auch sprachregional zeigen sich Unterschiede. Deutlich stärker verbreitet ist Smartphone-Abhängigkeit in der Romandie gegenüber der Deutschschweiz. 47 Prozent weisen in der Westschweiz zumindest deutliche Anzeichen von Nomophobie auf. In der Deutschschweiz sind es nur 37 Prozent. "In der Romandie ist die Nutzung von sozialen Netzwerken, Videostreaming und Gaming-Diensten ausgeprägter als in der Deutschschweiz. Das zeigt etwa der Digimonitor der Wemf für Medienforschung. Die Vorreiterschaft bei der Digitalisierung könnte hier einen negativen Einfluss haben", so Frick.

Zudem gibt es der Studie zufolge einen Stadt-Land-Graben. Bei der Bevölkerung in ländlichen Gebieten können demnach 28 Prozent problemlos aufs Handy verzichten (aber nur 19 Prozent der Umfrageteilnehmenden aus Städten). Hingegen sind 43 Prozent der Städterinnen und Städter deutlich bis stark von Nomophobie betroffen, aber "nur" 34 Prozent der Landbevölkerung. Für den Comparis-Experten bestätigt sich damit ein Klischee: "In urbanen Gebieten ist die Nutzung des Smartphones durch berufliche und soziale Anforderungen höher. In ländlichen Gegenden sind der Bedarf an permanenter Erreichbarkeit sowie der Wunsch, alles mit dem Smartphone zu erledigen, weniger ausgeprägt. Auf dem Land wirken ausserdem mehr Leute in Vereinen mit als in der Stadt. Die Vereine spielen eine wichtige Rolle im Sozialleben. Man trifft sich daher eher am Stammtisch und in Vereinen als auf Facebook."

Personen in Haushalten mit mehr als drei Mitgliedern sind ebenfalls stärker nomophobieanfällig als Einzel- oder Paarhaushalte, so ein weiteres Ergebnis der Comparis-Untersuchung. Auch gaben Befragte aus Haushalten mit Kindern demnach signifikant häufiger deutliche bis starke Anzeichen von Smartphone-Sucht an als solche ohne Nachwuchs. Bildungsstand, Einkommen oder Geschlecht beeinflussen die Neigung zu Nomophobie demgegenüber nicht signifikant.

"In Familienhaushalten ist die Abhängigkeit vom Smartphone oft höher, da sowohl Eltern als auch Kinder das Bedürfnis nach Erreichbarkeit und Zugang zu Informationen teilen. Ausserdem beeinflussen Jugendliche durch ihre Smartphone-Nutzung immer auch ihre Eltern, z. B. indem ehemals analoge Dinge wie ein Familienkalender an der Wand auf dem Smartphone digitalisiert werden", so Frick. Er fordert deshalb: "Die Schule muss darum den verantwortungsvollen Umgang mit dem Smartphone noch viel stärker thematisieren und zum Pflichtfach machen."

Die Befragten mussten 10 Fragen zu ihrer Smartphone-Nutzung beantworten, die Aufschluss über die Neigung zur Smartphone-Abhängigkeit gaben. Am häufigsten gaben die Befragten demnach an, mehrmals täglich ihr Gerät zu überprüfen, um sicherzustellen, keine Nachrichten verpasst zu haben. An zweiter Stelle folgte die Nennung von Stressgefühlen, wenn das Smartphone nicht dabei ist. Als Drittes folgte ein Unruhegefühl allein schon beim Gedanken, das Handy mindestens einen Tag nicht bei sich zu haben. Eine Verhaltensmassnahme, um solchen Problemen vorzubeugen, ist der Besitz mehrerer Handys. Entsprechend zeigt die Comparis-Umfrage eine signifikant höhere Neigung zu Smartphone-Übernutzung bei Personen mit 2 Geräten (46 Prozent gegenüber 37 Prozent mit 1 Gerät).

Digital-Experte Frick rät Betroffenen zu Digital-Detox: "Man kann beispielsweise die tägliche Nutzung auf weniger als zwei Stunden beschränken und feste Zeiten für die Handynutzung festlegen." Ebenso könne es helfen, sich bewusst in Situationen zu begeben, die Unruhe auslösen, und sich langsam und kontrolliert an Alternativen zu gewöhnen (z. B. die Mitnahme von Bargeld, Kreditkarte, Stadtplan oder das Tragen einer Armbanduhr). "Man muss die Störung aber ernst nehmen. In schweren Fällen kann eine Psychotherapie erforderlich sein", so Frick.

Nomophobie:
Der Begriff Smartphone-Sucht oder Nomophobie (aus dem englischen No-Mobile-Phone-Phobia) bezeichnet die krankhafte Abhängigkeit vom Handy. Der Begriff ist Ende der Nullerjahre in Grossbritannien entstanden. Hier zeigte eine Studie des britischen Postdienstes, dass in Grossbritannien rund die Hälfte der Handynutzenden von Smartphone-Abhängigkeit betroffen waren. Symptome von Nomophobie können Angstzustände, körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Schweissausbrüche oder Verhaltensänderungen sein (z. B. das Handy nicht ausschalten, mehrere Geräte mit sich tragen). Nomophobie ist bisher nicht als offizielle Diagnose anerkannt.



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